© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/22 / 17. Juni 2022

Er ist wieder da
Jörg Meuthen: Der ehemalige AfD-Chef hat im „Zentrum“ eine neue politische Heimat gefunden / Rechtsstellung als Partei 2021 verloren
Jörg Kürschner

Ein bißchen wirkt es so, als würde ein ehemaliger Formel-1-Pilot auf einer Pressekonferenz bekanntgeben, er werde nach seinem Ausstieg aus dem millionenschweren Rennzirkus künftig beim Seifenkistenwettbewerb antreten. Mont Klamott statt Monte Carlo. 

Aufgeräumt, betont optimistisch und voller Tatendrang trat am vergangenen Freitag der ehemalige AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen vor einem guten halben Dutzend Journalisten in Berlin auf. Der 60jährige will die katholisch geprägte Deutsche Zentrumspartei (DZP) wiederbeleben und für die Kleinpartei 2024 ins Europäische Parlament einziehen, in dem er seit 2017 sitzt.  

Durfte Meuthen bis vor kurzem noch auf dem Podium der Bundespressekonferenz (BPK) Platz nehmen, so mußte er am vergangenen Freitag für seinen ersten Auftritt seit dem Abgang im Streit mit der Partei, der er fast sieben Jahre vorstand, eine Etage tiefer mit einem der Räume im Tageszentrum der BPK, die jedermann mieten kann, vorliebnehmen. 

Gemeinsam mit dem Zentrums-Vorsitzenden, Christian Otte, zeigte sich Meuthen optimistisch, da es im Parteiensystem eine „Repräsentationslücke“ gebe. Als Beleg diente ihm die geringe Wahlbeteiligung von 55,5 Prozent bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai. Da habe sich das hohe Maß der Unzufriedenheit gezeigt. Bei der Landtagswahl in Niedersachsen am 9. Oktober werde das Zentrum ein „erstes Ausrufezeichen“ setzen.

Mit dem „prominenten Neumitglied“ erhoffe man sich mehr Aufmerksamkeit, betonte Otte. Derzeit würden die nötigen 2.000 Unterstützungsunterschriften gesammelt. Zu Jahresbeginn hatte bereits der Bundestagsabgeordnete Uwe Witt die AfD verlassen und war dem Zentrum beigetreten.

Die Blütezeit der 1870 gegründeten Partei mit katholischen Wurzeln liegt lange zurück. Bedeutend war sie im Kaiserreich und während der Weimarer Republik. Zwischen 1917 und 1932 stellte das Zentrum viermal den Reichskanzler. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb ihr der Erfolg versagt, denn die CDU saugte den alten Polit-Katholizismus als überkonfessionelle Volkspartei auf. 

„Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben“

Aktuell scheint Meuthen die Union als politischen Konkurrenten nicht allzu sehr zu fürchten. Deren Anbiederung an die Grünen und den Zeitgeist lasse Raum für das Zentrum, das als Partei der Mitte für den „vernachlässigten Teil des Bürgertums“ attraktiv sei, wie Otte ergänzte. Auf ihn warte jetzt viel Arbeit, räumte Meuthen ein, denn die Partei ist nahezu unbekannt, verfügt nur in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen über eine Handvoll kommunale Mandate. 

Seit Januar gehört ihr auch der fraktionslose Bundestagsabgeordnete Uwe Witt an, der 2021 als schleswig-holsteinischer AfD-Spitzenkandidat sein Mandat bekommen hatte. Die Zahl der Parteimitglieder wurde von Schatzmeister Hans-Joachim Woitzik mit mittlerweile 500 angegeben, Tendenz steigend. 

Im vergangenen Jahr hatte der Bundeswahlausschuß dem Zentrum die Zulassung zur Bundestagswahl versagt, weil es wegen unvollständiger und fehlender Rechenschaftsberichte die Rechtsstellung als Partei verloren habe. Eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht blieb erfolglos. „Das passiert uns kein zweites Mal“, versicherte Meuthen auf die Frage der JUNGEN FREIHEIT. „Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben.“ 

Die AfD sieht ihr Ex-Vorsitzender inzwischen als „Auslaufmodell“. Daran werde auch „das große Kino in Riesa“ nichts ändern, meinte er in Anspielung auf den am Wochenende in der sächsischen Stadt stattfindenden Parteitag (siehe Seite 4). Seinen Austritt Ende Januar empfinde er als „Befreiung“, in seiner neuen Partei fühle er, „das paßt“. Er spüre derzeit „großen Tatendrang“.