© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/22 / 17. Juni 2022

Silvesternacht auf italienisch
Gewalt gegen Frauen: Nach massiven Ausschreitungen am Gardasee diskutiert Italien über den Umgang mit jungen Migranten
Florian Werner

Nach Ausschreitungen mehrheitlich aus Nord­afrika stammender Jugendlicher am Gardasee hat sich in Italien eine Diskussion über die Kriminalität von Migranten entwickelt. „Wenn es ihnen in Italien nicht gutgeht, ciao, ciao. Die Welt ist groß“, empörte sich etwa Lega-Chef Matteo Salvini auf der Online-Plattform TikTok über die Bilder aus dem Badeort Peschiera. Dort hatten sich am 2. Juni über tausend junge Männer mit zumeist nordafrikanischem Migrationshintergrund zu Krawallen verabredet.

Laut der italienischen Tageszeitung Il Giornale riefen sie dabei Sätze wie „Das ist unser Gebiet“ oder „Afrika muß hierher kommen“, belästigten zahlreiche Mädchen und Frauen und bestahlen sie. Einschreitende Polizisten wurden mit Steinen beworfen und Ladengeschäfte verwüstet. Wie der Bürgermeister des nahegelegenen Ortes Castelnuovo del Garda erläuterte, schwenkten die Männer dabei die Fahnen verschiedener afrikanischer Länder. „Sie haben alles zerschlagen“, berichtete ein ortsansässiger Händler dem Corriere della Sera gegenüber. Die Menschenmassen hätten Schaufenster eingeschlagen und Straßen blockiert. Gegen rund 30 Jugendliche laufen deshalb bereits Ermittlungen.

Salvini fordert volle Straffähigkeit für Jugendliche ab 15 Jahren

Der ehemalige italienische Innenminister Salvini sprach sich vor dem Hintergrund der Übergriffe dafür aus, das Strafrecht so zu reformieren, daß Jugendliche schon ab einem Alter von 15 Jahren voll straffähig sind. Vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie hatte die damalige Regierung unter Ministerpräsident Giuseppe Conte (Movimento 5 Stelle) viele Dekrete des einstigen Innenministers, die den Zustrom von Migranten aus Nordafrika eindämmen sollten, wieder zurückgenommen.

Auch über die verhaltene Reaktion vieler italienischer Medienhäuser auf die Ereignisse wird seither in dem Land diskutiert. Diese werden immer wieder beschuldigt, aus Gründen politischer Korrektheit nicht angemessen über die Randale zu berichten. So warnte etwa die Bürgerrechtlerin Kwanza Musi Dos Santos im Gespräch mit der italienischen Nachrichtenagentur ANSA davor, mit der Berichterstattung über die Vorfälle rassistische Stereotype zu bedienen. „Wir müssen auf die Rassifizierung von Nachrichten aufpassen. In Peschiera del Garda waren die Männer vom Patriarchat durchdrungen.“

Die Geschehnisse am Gardesee sind dabei nicht die ersten ihrer Art. Zum Jahreswechsel kam es in Mailand zu ähnlichen Szenen. Dort wurden am Rande der Silvesterfeierlichkeiten mindestens neun Frauen von einem Pulk junger Migranten sexuell bedrängt und ausgeraubt.

„Wo sind jetzt die Feministen und Linken, die erst vor kurzem unsere Gebirgsjäger angegangen sind?“ fragte der Parlamentsabgeordnete Ciro Mas­chio (Fratelli d’Italia) laut dem Libero. Im Mai hatten Soldaten auf einem Treffen der italienischen Gebirgsjäger in Rimini mehrere Frauen belästigt. Die Vorfälle sorgten seinerzeit für einen Aufschrei. Vor allem Politiker und Tageszeitungen links der Mitte hatten sich damals über das Fehlverhalten echauffiert.

Unterdessen sind weitere Aufrufe zu Ausschreitungen bekanntgeworden. Die Onlineplattform Open berichtete jüngst von Videos, in denen Botschaften wie diese verbreitet werden: „Peschiera war nur der Anfang. Wir werden uns in Riccione wiedersehen.“ Ob die Attacken vom Gardasee indes eine ernsthafte politische Aufarbeitung erfahren werden, bleibt abzuwarten.