© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/22 / 17. Juni 2022

In Luthers Kirche läßt die „Zeitenwende“ auf sich warten
Gewohnte Realitätsverweigerung
(dg)

Seit Jahrzehnten fördert die Leitung der Evangelischen Landeskirche in Baden Initiativen, deren Ziele die Propagierung konsequenter Abrüstung, eine Neukonzeption der Sicherheitspolitik ohne Militär und Waffen sowie ihre eigene Verwandlung zur „Kirche des gerechten Friedens“ sind. Der soll nach Vorstellung der Kirchenoberen 2040 definitiv ausbrechen, wenn sich Deutschland innerhalb einer bis dahin „konsequent abgerüsteten“ Nato als „rein ziviler Akteur“ deklariert habe. Abschreckung eines potentiellen Angreifers lehnt man in diversen, radikalpazifistischen Geist atmenden Manifesten daher genau so ab wie man sogar militärische UN-„Friedensmissionen“ in Frage stellt, da hier Waffengewalt nicht ausgeschlossen werden könne. Von der „Zeitenwende“, die Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges proklamierte, ist das kirchliche Führungspersonal offenbar noch weiter entfernt als die politische Klasse Berlins. Was den Heidelberger Kirchenhistoriker Christoph Strohm nicht wundert, da das von der protestantischen Kirche modellierte Weltbild speziell der westdeutschen „Zivilgesellschaft“ nur dank „Realitätsverweigerung“ stimmig erschien. Um ihre „pazifistisch-gewaltfreie Positionierung“ mit der christlichen Lehre zu legitimieren, habe die Amtskirche selbst ihre Gründergestalt verleugnet, sei Martin Luther doch kein Pazifist gewesen. Der Reformator habe vielmehr gelehrt, daß es die Aufgabe des weltlichen Regiments sei, für Recht, Ordnung und Frieden zu sorgen. Angesichts der Macht des Egoismus und der Sünde in der Welt auch mit Waffengewalt – das war für Luther ein Gebot der Nächstenliebe (zeitzeichen, 5/2022). 


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