© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/22 / 17. Juni 2022

Zeitschriftenkritik: Cato
Die Neuvermessung der Welt
Werner Olles

Daß die Europäische Union im Ukraine-Krieg von den USA „zu einer weisungsgebundenen Filiale degradiert“ wird, konstatiert Thorsten Hinz in seinem Beitrag „Vom Herzland und vom Rimland“ in der aktuellen Cato-Ausgabe (Nr. 4, Juni/Juli 2022). Zudem sei für die dominante Weltmacht USA „der Erhalt der ukrainischen Souveränität nur ein Etappenziel“. Strategisch strebe sie einen Regimewechsel und die langfristige Schwächung Rußlands an: „Die Ukraine ist der erste, Rußland der zweite und Europa der dritte Kollateralschaden des Krieges.“

Bruno Bandulet analysiert die „Weltunordnung“ und befürchtet, daß sich über Europa erneut ein „Eiserner Vorhang“ senken werde. Ein Déjà-vu, das der US-amerikanische Oligarch George Soros als „Beginn des Dritten Weltkriegs“ bezeichnete. Bandulet sieht hingegen das Ausmaß der Selbstbeschädigung, das die westlichen Konzerne auf sich nehmen, und nennt den Aufruf des Springer-Vorstands Mathias Döpfner in der Welt am Sonntag einen „Aufruf zum unbeschränkten Wirtschafts- und Handelskrieg gegen China“, der die Dimensionen des früheren Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion sprengen würde. Döpfners Empfehlung eines „konsequenten Abkoppelns von China“ durch die USA, Deutschland und Europa sei eine kühne Behauptung, wenn man bedenke, daß der deutsche Außenhandel mit China noch vor dem mit den USA rangiere.

Auch Thomas Fasbender sieht die „Welt im Umbruch“. Zwar trieben die Europäer seit einem Vierteljahrtausend den Fortschritt an, wußten jedoch nicht, wie sehr sie von den Asiaten verachtet wurden. Inzwischen habe sich Asien vom Objekt fremder Begierde zum Subjekt des eigenen Schicksals emanzipiert. Der Westen werde nicht mehr als Vorbild gesehen, seit er sein geistiges Eigentum verloren habe. Die Welt komme ohne uns zurecht, vor allem China fordere unser weltanschauliches Überlegenheitsgefühl heraus. Rußland sieht der Autor als „Sonderfall“. Nach 1990 sei die russische Gesellschaft Europa „entgegengetaumelt“, doch das Europa, mit dem man sich in gegenseitiger Umarmung wiederfand, war nicht mehr das alte. Es hatte sich zur Pax Americana gewandelt, und für Rußland fand sich kein Platz mehr außer als fünftes Rad am Wagen. Doch während die Chinesen „geduldig, siegessicher und selbstgewiß“ warten konnten, flüchtete Rußland in die Konfrontation. So sei der Angriffskrieg in der Ukraine auch als Anrufung an die Götter zu verstehen: „Möge das Schicksal sich im Kampf entscheiden.“

Weitere Beiträge befassen sich unter anderem mit dem „Krieg gegen Männlichkeit“ (Norbert Bolz), der Ermordung Walther Rathenaus vor 100 Jahren (Karlheinz Weißmann) und der „Utopie der Na-tion“ (Bernhard Viel).

Kontakt:  Cato Verlag GmbH, Fasanenstraße 4, 10623 Berlin. Das Einzelheft kostet 15,20 Euro, ein Jahresabo 79 Euro.

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