© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/22 / 17. Juni 2022

CD-Kritik: Liam Gallagher – C’mon You Know
Wagnis und Komfortzone
Eric Steinberg

Das neue und damit dritte Solo-Album der temperamentvollen Oasis-Legende Liam Gallagher, „C’mon You Know“, ist Wagnis und Komfortzone in einem. Gleich zu Beginn betont er mit dem Opener „More Power“ und dem einleitenden Kinderchor, daß er vor Experimenten nicht zurückschreckt. Auch perkussive Elemente und Streicher werten das Gesamtwerk deutlich auf. Dennoch ist die Orientierung an simplen Britpop-Songstrukturen und mithin auch alten Oasis-Songs deutlich hörbar. Selbst wenn sich der 49jährige Engländer längst nicht mehr auf die Songwriting-Qualitäten seines Bruders Noel verlassen kann, schart er doch zumindest ein Team um sich, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, den gut wiedererkennbaren Gesang des Musikers in den Vordergrund zu stellen und dabei auf altvertraute Muster zurückzugreifen.

Trotzdem fehlt es an eigenständigem Charakter, das Rebellentum der Britpop-Größe verblaßt zunehmend, wird gewöhnlich und austauschbar. Das Album baut zwar stetige Spannung auf, einen energetischen Höhepunkt erreicht es aber trotzdem nicht. Über den Großteil der Spielzeit dümpelt das Werk von Strophe zu Strophe. Das Hitpotential von vorhergegangenen Ohrwürmern wie „Wall of Glass“ erreichen nur „I’m Free“, „Everything’s Electric“ und „C’mon You Know“. Ob es am Älterwerden des Sängers liegt oder an der ausschweifenden Experimentierfreude, ist nicht zu beantworten. Fest steht jedoch: An alte Erfolge wird Gallagher mit diesem Stil nicht mehr anknüpfen können. 

Liam Gallagher C‘mon You Know Warner Music International 2022

www.liamgallagher.com