© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/22 / 17. Juni 2022

Leserbriefe

Zu: „Konflikte vermeiden“ von Werner J. Patzelt, JF 24/22

Alternativlos: Parteienverdrossenheit

Diese Konfliktvermeidung hat ihre Kehrseite im Demos. So meldete neulich der Bayerische Staatsanzeiger, daß bei der letzten Wahl wieder eine Politikverdrossenheit zum Ausdruck gebracht wurde und nur noch knapp über 50 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne gehen. Dies war vor circa zehn Jahren schon einmal so, auf dem Höhepunkt der Griechenland- und Schuldenkrise. Weil den damaligen Merkel-Kurs alle im Bundestag vertretenen Parteien mitgetragen haben, sind Wähler einfach zu Hause geblieben, nach dem Motto: egal wen man wählt, es ändert sich eh nichts. Dies war eine Steilvorlage für die neu gegründete AfD, die dadurch großen Zulauf bekommen hat, weil die etablierten Parteien weiter mit erheblichen Stimmenverlusten zu kämpfen hatten und die FDP 2013 sogar aus dem Bundestag geflogen ist. Zusätzlich befeuert wurden die Erfolge durch die 2015 aufkommende Flüchtlingskrise. Die Bürger sahen jetzt eine Alternative zu den Altpartien, mit dem erfreulichen Ergebnis, daß die Wahlbeteiligung der anschließenden Wahlen wieder stark angestiegen ist. Nachdem die AfD, zum einen durch innere Streitereien, zum anderen durch massive Medienkampagnen für viele Wähler nicht mehr akzeptabel ist, sind wir jetzt wieder bei der Situation wie zuvor, nämlich Parteiverdrossenheit, was bei den letzten Wahlen durch geringe Wahlbeteiligung zum Ausdruck gekommen ist. Mangelndes Politikinteresse ist demokratiefeindlich und muß von allen, die es mit der Demokratie ernst meinen, bekämpft werden. Dazu gehört vor allem Meinungsfreiheit und Toleranz gegenüber Andersdenkenden.

Karl Braun, Haiterbach






Zu: „Nur ein mageres Zugeständnis“ von Hedwig von Beverfoerde, JF 23/22

Ein Grundrecht als Fremdkörper

Wieder einmal mußte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bemüht werden, um familiäre Leistungen mehr in unseren Sozialversicherungen zu berücksichtigen. Doch leider sieht das BVerfG nur in den Beiträgen der Pflegeversicherung eine Besserstellung vor. Auch wenn Familien nicht nur in Corona-Zeiten zu starken Leistungsträgern in unserer Gesellschaft gehören, werden diese in Medien wie in der Politik nicht entsprechend unterstützt. Ärgerlich, wenn auch diese kurzsichtige Gerichtsentscheidung weitgehend unkommentiert blieb. Haben Pflegenotstände wie allgemeiner Fachkräftemangel und Rentenprobleme nicht auch damit maßgeblich zu tun? Ein Rentensystem, das Altersbezüge überwiegend von außerhäuslichen Arbeitsleitungen abhängig macht und mit mickrigen Rentenpunkten abspeist, ist höchst ungerecht und wirkt so nicht selten sogar wie ein Kindervermeidungsprogramm. 

Wenn auch nach Art. 6 unserer Verfassung Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates stehen, wirkt dieses Grundrecht in der öffentlichen Wahrnehmung wie auch in der tonangebenden Politik eher wie ein Fremdkörper. Da unser Land schon seit Jahren relativ alt und kinderarm erscheint und vor allem Frauen, die Kinder geboren und erzogen haben, im Alter meist nur Minirenten beziehen, müßte doch längst ein Umdenken beginnen. Bedenklich, wenn die jetzige „Fortschrittsregierung“ kaum etwas über echte Familienförderung sagt, wo doch vor allem in Familien unser Zukunftspotential geboren wird. Überteuerte Wohnungen wie soziale Notlagen dürften nicht Grund für Lebenszerstörung oder Verdrängung eines Kinderwunsches sein. 

Da Kinder mit erheblichen Kosten und oft mit Karrierebremse verbunden sind, ist es nachvollziehbar, daß überwiegend kinderlose Personen in der Politik wie in den Medien tonangebend sind.

Simon Kirschner, Gaimersheim






Zu: „Bild der Woche: Geschichtslos“, JF 23/22

Zeit für echte Glaubensfragen

Fleischgewordene Selbstgefälligkeit strahlen die drei Mitglieder des Künstlerkollektivs „ReCollect“ aus, welches angesichts des kürzlichen Katholikentages damit beauftragt war, das Denkmal von Kaiser Wilhelm I. auf dem Stuttgarter Karlsplatz zu verhüllen. Glaubt die Katholische Kirche in Deutschland wirklich, daß es ausreicht, zu solch albernen Mätzchen ein paar „noch nicht so lange in Deutschland lebende“ Künstler von colourer Hautfarbe zu beauftragen, damit wir die krisenhaften Probleme ebendieser Kirche vergessen? Vielleicht sollten sich die Damen und Herren, die derzeit auf dem Katholikentag und anderswo das große Wort führen, einmal daran erinnern, daß nicht „Ökumene“, sondern Mission das Erfolgsrezept in den ersten Jahrhunderten der Ausbreitung der christlichen Religion war. „Verhüllen“ kann jede Verkäuferin und gewiß auch besser als diese selbsternannten Künster von „ReCollect“.

Dr. Jürgen W. Schmidt, Berlin






Zu: „Zu rechts für Deutschland“ von Regina Bärthel, JF 23/22

Lichtgestalt mit einer Schattenseite

„Im Dienste der Wahrheit genügt es nicht, Geist zu zeigen, man muß auch Mut zeigen!“ Journalisten, Feuilletonisten und Schriftsteller, die sich diesem kämpferischen Börne-Geist nachhaltig verpflichtet fühlen, sollte die hohe Ehre gebühren, als Ludwig-Börne-Preisträger auserkoren zu werden. Und Eric Gujer hat ihn wohl auch verdient, denn inzwischen erfährt man als Hiergeborener viel eher aus der Schweizerischen NZZ brisante politische Hintergrundinformationen aus der nationalen Politikblase, als von der einheimischen Tagespresse. Denn diese hat ihre Funktion als Vierte Gewalt im Staate größtenteils zugunsten eines regierungsfreundlichen Devotismus an den Nagel gehängt und betätigt sich stattdessen als mediales Sprachrohr der Exekutive.Die Regierungspolitik medial anzugreifen, von der man finanzielle Hilfestellung erwartet aufgrund des selbstverschuldeten Abonnenten-Schwundes, gilt selbstredend als kontraproduktiv. Es wagt sich doch kein Chefredakteur, einen Bundeskanzler oder einen Minister/eine Ministerin medial zu kritisieren, mit dem/mit der man vorher auf einem Presseball oder Pressefest auf dem gesellschaftspolitischen Parkett geglänzt hat. Daß die diesjährige Preisvergabe an Gujer aus dieser Sichtweise daher nicht ganz falsch gewesen sein kann, beweist der hysterische Aufschrei. 

Hinsichtlich der zitierten DDR-Kenntnisse Gujers insbesondere zur Wendezeit und darüber hinaus sind die SED-Opfer- und Flüchtlingsverbände jedoch von starken Zweifeln befallen: Trotz intensiver Bitten und Drängen der Interessengemeinschaft ehemaliger DDR-Flüchtlinge (IEDF e.V.) und der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS e.V.), deren stellvertretender Vorsitzender ich bin, hat sich Herr Gujer stur und unerbittlich geweigert, sich journalistisch einer der größten rentenpolitischen Ungerechtigkeiten der Nachwendezeit öffentlich zu widmen: dem Fremdrentenbetrug gegenüber den DDR-Altübersiedlern und politisch freigekauften ehemaligen Stasi-Häftlingen. Wir wissen nicht, was Herrn Gujer davon abgehalten hat, sich diesem brisanten Thema so strikt zu verweigern wie die übrigen feigen deutschen Medien. Das Ergebnis dieser peinlichen „Enthaltung“ ist dieses: Die ehemaligen DDR-Systemträger sind heute, 33 Jahre nach der Friedlichen Revolution, rententechnisch besser gestellt als deren Opfer. Was für ein fatales Signal an die heutige Generation, wenige Tage vor dem 17. Juni, dem „stillgelegten“ Tag der Deutschen Einheit!

Felix Heinz Holtschke, Düsseldorf






Zur Meldung: „ʻKleiner Waffenscheinʼ wird immer beliebter“, JF 23/22

Blind für den Elefanten im Raum

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Dirk Wiese zeigte sich besorgt. Doch nicht etwa wegen der katastrophalen Sicherheitslage, mit der die Bevölkerung in unserem Land inzwischen leben muß, sondern weil immer mehr Bürger der Meinung sind, Gas- und Schreckschußwaffen zu ihrem Schutz zu benötigen. Diese Bürger gilt es nach Meinung der SPD zu kontrollieren und zu überwachen. Selbst meine Frau, einer der friedlichsten Menschen, die ich kenne, die mit Waffen überhaupt nichts anfangen kann, ist seit geraumer Zeit der Meinung, daß sie zu ihrem Schutz auf eine Gaspistole nicht mehr verzichten kann. Da unsere Innenministerin ihren Blick starr auf die „rechte Gefahr“ ausrichtet, kann sie den Elefanten, der im Raum steht, nicht sehen. Importierter Antisemitismus und Kriminalität kommen spätestens seit 2015 unkontrolliert nach wie vor in unser Land. In gepanzerten Dienstwagen, umringt von Personenschützern, bekommen die Entscheidungsträger in Berlin (Regierung mag ich die nicht nennen) diese Probleme nicht unmittelbar mit. Die mediale Öffentlichkeit verschweigt schamhaft die Nationalität der Täter, weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf, in der ach so Bunten Republik Deutschland. 

Die Wahrnehmung der Bürger auf der Straße und im ÖPNV ist eine andere. Nahezu täglich Meldungen über Messerangriffe, Clan-Kriminalität, Gruppenvergewaltigungen und antisemitische Übergriffe – das ist die Realität im „beste(n) Deutschland, das wir je hatten“ (Angela Merkel). Ich kann mich an einen Staat erinnern, in dem hatten die Sicherheitsbehörden auch nur mit der Überwachung der Bürger zu tun; hat letztendlich nichts gebracht. Noch eine Anmerkung: Bitte machen Sie weiter so! Die JF ist für mich immer noch wie eine Oase in der deutschen Medienwüste, und wer will schon verdursten.

Lutz Kleinert, Schorfheide






Zu: „Im Zeitalter von Wassermann und Regenbogen“ von Dietmar Mehrens, JF 23/22

Viel älter als gedacht

Die Wanderung des Frühlingspunkts durch die Sternzeichen ist Astronomie, also Wissenschaft, und nicht Astrologie. Astrologisch daran ist nur die Deutung, wonach daraus ein bestimmter Einfluß auf das Schicksal von Menschen folgt. Außerdem gehen die Anfänge der Sagen um den Regenbogen viel weiter zurück als Christentum und „New Age“-Getue. In vorchristlicher Zeit hieß diese Naturerscheinung bei den Germanen Bifröst. Nach nordischem Götterglauben verband der Bogen Asgard, den Wohnsitz Wotans, Thors und Freyas, mit der Menschenwelt Midgard. Bewacht wurde die Brücke von dem Asen Heimdall. Dessen laut tönendes Gjallarhorn warnte die Götter vor der Ankunft der Weltenfeinde. Im Kampf gegen sie unterlagen die Asen. Die Niederlage hieß Ragnarök, meist übersetzt als Götterdämmerung. Genau das erleben wir gerade.

Volker Wittmann, Philippsburg




Verengte Sichtweise

Die ganze Esoterik-Bewegung als „neuheidnischen Spiritismus“ abzutun und auf Gesichtspunkte ihrer möglichen Auswirkung auf heute sehr mächtige linke politische Ideologien einzuengen, erscheint mir – als praktizierender Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin – allzu vereinfachend. Daß es ihr auch um ein ernsthaftes Bemühen um Bewußtseinserweiterung, um Beschäftigung mit Symbolik, Mystik und „Transformation“ geht, sollte nicht unterschlagen werden. Solche Ziele sind unvereinbar mit der politischen Machtausübung und Intoleranz der genannten Ideologien. Der sehr interessante Hinweis auf den „Regenbogen“ im Alten und Neuen Testament und in der aktuellen „Regenbogenbewegung“ bedarf einer diffenzierten Betrachtung. Bei ersterem handelt es sich um ein echtes Symbol, bei letzterem allenfalls um ein Zeichen, welches möglicherweise „Buntheit“ und „Vielfarbigkeit“ ausdrücken soll. 

Ein echtes Symbol hingegen ist ein Bindeglied zwischen geistiger und irdischer Wirklichkeit. In diesem Sinne ist der biblische Regenbogen echtes lebendiges Symbol des Menschen, der sich mit Gott verbindet – sich auf den „Bund mit Gott“ einläßt. An dieser Stelle sei Alfred Delp zitiert: „Die Bindung an Gott ist eine Bindung an seine Ordnung, die ein Abglanz seines Wesens ist“. Das Wort „Transformation“ der New-Age-Bewegung beinhaltet eine Wahrheit, nämlich diejenige, daß der Mensch sich innerlich wandeln muß. Jesus sagt (Joh. 3): „Ihr müßt von neuem geboren werden (...) aus dem Geist“ und Paulus ruft in seinem sechsten Brief an die Epheser dazu auf, mitzuwirken am endgültigen Sieg über die Mächte der Finsternis. Die Aufgabe der Kirchen sehe ich darin, uns auf diesen Wegen zu begleiten und nicht darin, moralinsauer politischen Tagesthemen nachzulaufen und uns vorzuschreiben, was wir zu denken haben.

Dr. med Marianne Katterfeldt, Erwitte






Zur Meldung: „Rußlands Interessen mißachtet“, JF 21/22

Einseitiges Bild zur verzerrten Wiedergabe

Schön, daß Sie welt-sichten lesen und in Ihrem Blatt zitieren. Aber Sie haben meine zentralen Aussagen zu den Gründen des Ukraine-Krieges, nämlich die über Rußland, einfach komplett weggelassen: Putins Regime will die großrussische Einflußsphäre wiederherstellen, duldet keine Demokratien in seinem Umfeld, will die Regierung der Ukraine gewaltsam stürzen und spricht dem Staat dort sogar die Existenzberechtigung ab. Die Nato, schreibe ich, ist deshalb für die Ost-West-Spannungen mitverantwortlich, „aber nicht für den Weg in den Krieg“. Sie unterstellen mir die gegenteilige Ansicht, indem Sie geschickt nur einzelne Stellen meines Kommentars wiedergeben, in denen die Nato kritisiert wird. Und daß Rußland jetzt Hilfe bei der Bewältigung globaler Aufgaben wie der Erderhitzung braucht, habe ich überhaupt nicht geschrieben – sondern ich weise darauf hin, daß Rußlands Mitwirkung für diese Bewältigung nach wie vor unerläßlich ist. Wenn Sie Ihr Publikum auf meine Gedanken hinweisen, dann bitte künftig inhaltlich korrekt, also ohne meine Ansichten grob zu verzerren.

Bernd Ludermann, Frankfurt/Main