© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/22 / 24. Juni 2022

Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Kein Grund zum Jubeln
Michael Paulwitz

Angela Merkel hat als Bundeskanzlerin die Verfassung gebrochen und das Recht der AfD auf Chancengleichheit verletzt, als sie die Wahl eines thüringischen Ministerpräsidenten auch mit deren Stimmen für „unverzeihlich“ erklärte und „rückgängig“ machen ließ. Mit fast zweieinhalb Jahren Verspätung hat das jetzt auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Grund zum Jubeln ist dieses Urteil nicht, und der Schaden für den Rechtsstaat und die demokratischen Institutionen wird dadurch auch nicht geheilt. 

Denn das deutsche Höchstgericht hat die unvermeidliche Entscheidung so lange hinausgezögert, daß es ohne jede Konsequenz bleibt. Die Verfassungsbrecherin ist inzwischen regulär aus dem Amt geschieden, das sie von Rechts wegen schon wegen dieser Grenzüberschreitung hätte verlieren müssen. Der politischen Klasse samt ihren medialen Stützen, die damals Beifall klatschten, fehlt weiter jedes Unrechtsbewußtsein. Und der durch diesen Rechtsbruch ins Amt gehievte Ministerpräsident Bodo Ramelow klammert sich weiter an die Macht, die er dreist mißbraucht. 

Wo ein „Machtwort“ reicht, um Wahlen zu manipulieren, pervertiert die freiheitliche Demokratie zum „demokratischen Zentralismus“ sozialistischen Angedenkens. Das Bundesverfassungsgericht hat den Verdacht, seiner Rolle als Hüter der Verfassung aufgrund zu großer Nähe zur Macht nicht mehr gerecht zu werden, durch dieses verschleppte Urteil weiter bekräftigt.