© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/22 / 24. Juni 2022

Judith Sevinç Basad. Die Bestsellerautorin schrieb bisher bei Bild gegen die woke Ideologie. Nun wirft sie Springer Verrat vor.
Allein gegen alle
Sandro Serafin

Was für ein Paukenschlag: Ende vergangener Woche hat die Bild-Zeitung eine ihrer kritischsten Journalistinnen verloren. Weil Springer-Chef Mathias Döpfner vor der „unterträglichen Tyrannei“ (und) „radikalen Ideologie ... der woken Bewegung“ eingeknickt sei, hat Bestellerautorin Judith Sevinç Basad per offenem Brief „schockiert“ ihre Trennung von Bild bekanntgegeben (siehe Seite 17). Fast scheint es für die Mittdreißigerin eine traumatische Erfahrung zu sein – glaubte sie bislang doch voller „Stolz ... Teil einer Redaktion zu sein, die mit großer Entschlossenheit freiheitsfeindliche Ideologen furchtlos benennt, beschreibt und analysiert“. Geht es dabei um Wokeness, weiß Basad wovon sie spricht: Denn im vergangenen Jahr stürmte sie mit ihrem Buch „Schäm dich! Wie Ideologinnen und Ideologen bestimmen, was gut und böse ist“ (JF 24/21) die Spiegel-Bestsellerliste. 

Ende der achtziger Jahre in Oberfranken geboren, wuchs die Tochter einer Deutschen und eines Türken, die einen Blumenladen betrieben, nahe Bayreuth auf. In Frankreich machte sie Abitur, studierte Germanistik, Philosophie, Deutsche Literatur und Politologie erst in Stuttgart, dann in Berlin. Dort beschäftigte sie sich mit Geschlechterfragen und griff 2017 in einem Beitrag für den Berliner Tagesspiegel Wolfgang Kubicki als „FDP-Chefchauvinist“ an. Doch Basad vertiefte sich auch in die häßlichen Wurzeln der Linksidentitären, schrieb ihre Masterarbeit zu totalitären Tendenzen in der queerfeministischen Bewegung. Zweitgutachter war Jörg Baberowski, der seit Jahren im Visier linksradikaler Studenten ist, die versuchen, ihn zum Schweigen zu bringen. Basad rief die Aktion „Studenten für Demokratie und Meinungsfreiheit“ ins Leben und verteidigte den Historiker. Außerdem arbeitete sie für die von der Frauenrechtlerin Seyran Ateş in Berlin gegründete Ibn Rushd-Goethe Moschee, die einen „progressiven und inklusiven Islam“ vertritt. 

„Eine gefährliche, ausgeklügelte Ideologie, die Menschen in Stereotype und Kollektive preßt.“ 

Danach volontierte Basad bei der Neuen Zürcher Zeitung, schrieb für die FAZ, die Welt, hatte eine Kolumne im Cicero und kam 2021 zur Bild-Zeitung. Sie schreibt aus dem Blickwinkel eines, wie sie es nennt, „liberalen Feminismus“. So beruft sich Basad auf Simone de Beauvoir und fordert die Streichung des Paragraphen 218, lehnt andererseits aber die #MeToo-Kampagne ab und wehrt sich dagegen, daß Frauen pauschal zu Opfern einer strukturell frauenfeindlichen Gesellschaft erklärt und damit entmündigt würden, wie es der neue woke Feminismus propagiert. Auch die „Elitendiskussion“ ums Gendern, hinter der Basad eine „obsessive Feindschaft gegenüber Männlichkeit“ ausmacht, lehnt sie ab. Und bei der „antirassistischen“ Bewegung sieht sie – deren Familie selbst „Rassismus“ erlebt habe – ihrerseits rassistische Argumentationen, spricht gar von „institutionalisiertem Rassismus gegen Weiße“. 

Eine „wirklich gefährliche ... ausgeklügelte totalitäre Ideologie, die Menschen in Kollektive, Stereotype und Gruppen zu pressen versucht“, nennt sie die Wokeness und macht als Triebkräfte dahinter „Wohlstandsverwahrlosung“ und die „Sehnsucht nach Unterwerfung, Buße und Läuterung“ aus. Die Frage ist, wo sich Judith Sevinç Basad künftig Gehör verschaffen wird, nun da all dies offenbar auch beim Springer-Verlag um sich greift.