© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/22 / 24. Juni 2022

Der Bitcoin-Kurs rutschte am Wochenende unter 18.000 Dollar
Kryptowinter im Sommer
Thomas Kirchner

Immer am frühen Samstagmorgen kommt es zu Kurskapriolen bei Kryptowährungen. Spekulanten in Asien nutzen die geringe Liquidität, wenn Wochenende ist und die Bitcoin-Fans in Europa und Amerika noch schlafen, um Kurse zu manipulieren. Dies verstärkt die Abwärtsbewegung. Doch zu Wochenbeginn geht es in der Regel wieder aufwärts: So war der Bitcoin zwischen dem 17. und 19. Juni von über 22.000 auf unter 18.000 Dollar gerutscht. Am 20. Juni kletterte der beliebteste Krypto wieder über 20.000 Dollar. Aber das war nur ein Drittel dessen, was im November 2021 für den Bitcoin gezahlt wurde. Denn wie auch Technologieaktien – der Kurs von Meta/Facebook hat sich innerhalb eines Jahres halbiert – erleben Kryptowährungen derzeit einen Crash der Spekulationsblase, die sich in den letzten Jahren aufgebaut hat.

Während auf der Nordhalbkugel der Sommer beginnt, versinkt die noch junge Kryptolandschaft im tiefen Winter. Zwei Billionen Dollar, mehr als die jährliche Wirtschaftsleistung Italiens oder Kanadas, haben Kryptowährungen in diesem Jahr schon an Wert eingebüßt. Bitcoin ist nun weniger als ein Drittel des Höchstkurses vom November wert. Es gab auch einen Totalausfall: Terra (Luna) und der dazugehörige Stablecoin UST (TerraUSD) wurden im Mai praktisch wertlos (JF 21/22). Die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC untersucht den Fall inzwischen; die geprellten Anleger haben in Kalifornien Sammelklage auf Schadensersatz eingereicht.

Die beiden Kryptos sollten durch einen Algorithmus stabil an den Dollar gebunden sein. Die Idee des 30jährigen Südkoreaners Do Kwon scheiterte, die Währung kollabierte – etwa 40 Milliarden Dollar an Investorengeldern wurden vernichtet. Das löste eine Kettenreaktion aus: Ein Rettungsversuch für Luna in Höhe von einer Milliarde Dollar scheiterte, was wiederum einen Verlust von 200 Millionen Dollar beim Hedgefonds Celsius in Singapur verursachte, der daraufhin hektisch andere Kryptowährungen verkaufen mußte, die dann logischerweise ebenfalls Kursverluste verzeichneten.

Zwei Makler, Celsius und Babel Finance, haben vergangenen Freitag Kundengelder eingefroren. Deren Handelsplätze bieten Kunden den Kauf von Kryptowährungen auf Kredit, manchmal bis zum Hundertfachen des eingesetzten Kapitals. Solange die diversen Kryptowährungen stiegen, wurden die Kunden reich. Jetzt häufen sich die Verluste. Verlieren viele Kunden mehr als ihr eingesetztes Kapital, kann der Handelsplatz auch die anderen Kunden nicht vollständig auszahlen – ein Dominoeffekt.

Inzwischen ermittelt auch die Polizei in Südkorea, wo 280.000 Kunden durch Renditen von bis zu 20 Prozent von Terra angelockt wurden. Auch in anderen Ecken der Kryptowelt winken verdächtig hohe Renditen, was aber niemand hinterfragte, solange die Anleger nur Gewinne verbuchten. Sogar Elon Musk wurde inzwischen von einem glücklosen Kryptoinvestor auf 258 Milliarden Dollar Schadensersatz verklagt – der Tesla-Chef habe mit seiner Twitter-Werbung für Dogecoin (JF 18/21) ein Schneeballsystem aufgebaut.

Trotz der Verluste gibt es natürlich auch Gewinner: Etwa Brian Armstrong, Gründer und Chef der Kryptobörse Coinbase, deren Börsenkurs in einem Jahr 85 Prozent eingebüßt hat. Der 39jährige erwarb im Nobelviertel Bel Air von Los Angeles ein 1,9-Hektar-Anwesen des Japaners Hideki Tomita für 133 Millionen Dollar. Rechtzeitig hatte Armstrong Aktien im Wert von 292 Millionen Dollar abgestoßen.