© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/22 / 24. Juni 2022

Kartell der Platzhirsche
Desiderius-Erasmus-Stiftung: An diesem Freitag wird die Klage der AfD-nahen Stiftung auf finanzielle Förderung vor dem Verwaltungsgericht Köln verhandelt. Denn von den Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt sieht sie keinen Cent
Hinrich Rohbohm

Erneut ist sie leer ausgegangen. Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung steht auch in dieser Wahlperiode ohne lukrative staatliche Finanzierung da. Mehr als 600 Millionen Euro hatte der Haushaltsausschuß im vergangenen Monat den Stiftungen der im Bundestag vertretenen Parteien bewilligt. Eine Rekordsumme, von der alle profitieren. Alle, bis auf die Desiderius-Erasmus-Stiftung, so die Beschlußlage des Bundestags.

Diese sei als „Trägerin für politische Bildung ungeeignet“, hatte etwa das Deutsche Institut für Menschenrechte bereits im Vorfeld der Mittelvergabe kritisiert. In einem vom Institut in Auftrag gegebenen Gutachten heißt es, daß der Einsatz staatlicher Gelder für „rassistische und rechtsextreme Bildungsarbeit“ nicht mit dem Grundgesetz und dem Internationalen Übereinkommen gegen rassistische Diskriminierung vereinbar sei und „den auf den Grund- und Menschenrechten basierenden staatlichen Bildungsauftrag konterkarieren“ würde. Zudem sei die Stiftung eng mit der „Neuen Rechten“ verflochten und verbreite auch selbst rechtextremes Gedankengut.

Darüber hinaus teile die Stiftung die politische Grundausrichtung der AfD, deren Grundsatzpapiere eine „national-völkische Ausrichtung“ aufwiesen und ihre Mandatsträger „rassistische und rechtextreme Positionen“ vertreten würden. Das Gutachten kommt daher zu dem Resultat, daß eine Stiftung, die derartiges Gedankengut vertrete oder relativiere, „grundsätzlich nicht staatlich gefördert werden“ dürfe.

Pikant: Autor des Gutachtens ist der Rechtswissenschaftler Hendrik Cremer, der auch mehrfach bereits als Autor für die den Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung als Autor in Erscheinung getreten war. Ebenfalls delikat: Dem Kuratorium des Deutschen Instituts für Menschenrechte gehört auch die langjährige (bis April dieses Jahres) Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, an. Das Kuratorium legt die Richtlinien für die inhaltliche Arbeit des als eingetragener Verein agierenden Instituts fest, das sich bezeichnenderweise ebenfalls fast ausschließlich aus Mitteln des Bundeshaushalts finanziert. Sein Auftraggeber ist der Deutsche Bundestag.

Parteinahe Stiftungen seit 1967 mit Zuschüssen gefördert

Die dort schon länger vertretenen Parteien machen aus ihrer Einigkeit keinen Hehl: CDU/CSU, FDP, SPD, Grüne und die SED-Nachfolgepartei „Die Linke“ wollen eine Förderung der AfD-Stiftung verhindern. Der Grund dafür ist heikel. Denn auf der einen Seite darf der Verfassungsschutz seit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln die AfD als extremistischen Verdachtsfall einstufen und beobachten. Auf der anderen Seite müßte der Staat deren parteinahe Stiftung mit Millionen fördern. Summen, mit denen das AfD-Umfeld ebenfalls zahlreiche Mitarbeiterstellen, Seminare, Journalistenförderprogramme, Promotionsstipendien und Veranstaltungen finanzieren könnte, so die Befürchtung der anderen Bundestags-Platzhirsche.

Deren Stiftungen und ihre gesellschaftspolitische und demokratische Bildungsarbeit fördert der Staat bereits seit 1967 mit Zuschüssen aus den verschiedensten Haushaltstöpfen. Laut Bundesverfassungsgericht sind bei der Mittelvergabe im Sinne einer staatlichen Neutralitätspflicht „alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen zu beteiligen“. In der Praxis bedeutet das: Zieht eine Partei wiederholt in den Bundestag ein und davon zumindest einmal in Fraktionsstärke, so erfüllt deren Stiftung die Fördervoraussetzungen. Und damit seit 2021 auch die AfD.

Andererseits hatten die parteinahen Stiftungen von CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen im November 1998 über ihr Selbstverständnis eine „Gemeinsame Erklärung zur staatlichen Finanzierung der Politischen Stiftungen“ auf den Weg gebracht. Der schloß sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung 2003 widerspruchslos an. Auf die Gefahr hinzuweisen, daß die Stiftung damit linksextremes Gedankengut „verbreiten“ oder „relativieren“ könnte, ist man damals offenbar nicht gekommen.

Den Grundstock für die Stiftungsfinanzierungen bilden sogenannte Globalzuschüsse, die als institutionelle Förderung gelten und einen Einblick in das millionenschwere Volumen dieser Stiftungsförderungen geben. Allein diese attraktive Finanzquelle erhöhte der Bundestag von 88 Millionen Euro im Jahr 2002 auf mittlerweile 148 Millionen Euro – ein Wachstum von gut 68 Prozent. Was das für die Stiftungen der Bundestagsparteien konkret bedeutet, hat aktuell eine detaillierte Ausarbeitung der Desiderius-Erasmus-Stiftung ergeben: Der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung stehen 2022 an Globalzuschüssen über 45 Millionen Euro zur Verfügung. Bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD-nah) sind es über 41 Millionen Euro. Die Friedrich-Naumann-Stiftung der Liberalen ist mit über 16 Millionen Euro mit im Geschäft, die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung und die Linken-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung mit jeweils mehr als 15 Millionen Euro sowie die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung mit jährlich über 13 Millionen Euro. Die Globalzuschüsse machen dabei weniger als ein Viertel der gesamten staatlichen Zuwendungen aus. Hinzu kommen unzählige projektbezogene Fördermittel sowie weitere Zuwendungen aus den Ländern und Kommunen.

Kurios dabei: Selbst bei einem Sinken der Zweitstimmenanteile für die Parteien nach Bundestagswahlen stiegen die Globalzuschüsse für ihre Stiftungen an. So sank etwa der Zweitstimmenanteil der Unionsparteien zwischen 2013 und 2021 von 41,5 auf 24,1 Prozent. Die addierten Globalzuschüsse für Konrad-Adenauer-Stiftung und Hanns-Seidel-Stiftung stiegen hingegen in diesem Zeitraum von knapp 38 Millionen auf über 56 Millionen Euro.Bei der SPD sieht es ähnlich aus. Zwischen 2002 und 2009 sank ihr Zweitstimmenanteil von 38,5 auf 23 Prozent. Die Globalzuschüsse für ihre Friedrich-Ebert-Stiftung stiegen in diesem Zeitraum dagegen von knapp 27,5 Millionen auf über 31 Millionen Euro. Die FDP war von 14,8 Prozent im Jahr 2013 auf 4,8 Prozent im Jahr 2017 abgerutscht, flog dadurch sogar aus dem Bundestag. Der Höhe der Globalzuschüsse für ihre Friedrich-Naumann-Stiftung tat dies keinen Abbruch. Im Gegenteil: von 9,8 Millionen Euro ( 2009) stiegen sie trotz des Ausscheidens aus dem Parlament auf 10,4 Millionen Euro im Jahr 2013.

Auch die Stiftung der Linkspartei sahnte ab. Obwohl die SED-Erben von 9,2 Prozent im Jahr 2017 auf 4,9 Prozent im Jahr 2021 absackten, stiegen die Globalzuschüsse für die Rosa-Luxemburg-Stiftung im selben Zeitraum von knapp 11,3 auf fast 15,8 Millionen Euro an.

Entwicklungen, die die Frage aufwerfen, ob die Nichtberücksichtigung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung auf Dauer rechtlich haltbar sein wird. So warnt der Verfassungsrechtler Christoph Möllers die Bundesregierung bereits vor einer gerichtlichen Niederlage gegen die AfD. In einer demokratisch so sensiblen Frage sei es riskant, wenn die Koalition „freihändig“ entscheide und keine transparente Begründung in Form eines Gesetzes vorlege. „In dem Moment, in dem ein Verteilungskonflikt aufkommt, der gleichheitsrelevant ist, braucht es eine gesetzliche Grundlage“, zitierte die Süddeutsche Zeitung Möllers am 18. Mai. Seine Befürchtung: Die AfD könnte in Karlsruhe siegen. Was für sie dann nicht nur politisch, sondern auch finanziell ein Triumph wäre. Nachzahlungen unzähliger Millionen Euro wären die Folge.

Auch die Parteistiftung der umbenannten SED sahnte ab

Auch der Greifswalder Professor für Öffentliches Recht Claus-Dieter Classen hatte es im Deutschlandfunk als „nach jetziger Rechtslage schwer“ bezeichnet, die Stiftung „von einer Förderung auszuschließen“. Dies einfach aus der Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz abzuleiten sei zu simpel. Die Vorsitzende der AfD-nahen Stiftung Erika Steinbach hatte bereits angekündigt, notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen zu wollen. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT kritisierte Steinbach: „Was der Bundestag da beschlossen hat, ist pure Willkür.“

Bereits seit drei Jahren klage die Stiftung auf finanzielle Beteiligung. An diesem Freitag soll vor dem Verwaltungsgericht Köln eine Entscheidung fallen. Es ist der erste Termin in der ersten Instanz. Der Ausgang ist ungewiß: „So einen Fall hatte das Gericht bisher noch nicht. Für mich ist daher vollkommen offen, wie das Urteil ausfallen wird“, sagt Steinbach.

Tatsächlich gibt es bis heute zur Frage der Stiftungsfinanzierung keine klare gesetzliche Grundlage. Statt dessen stellt der Bundestag jedes Jahr im Rahmen der Haushaltsberatungen lediglich eine Summe bereit. Einzig die gemeinsame Erklärung zur staatlichen Finanzierung der politischen Stiftungen dient als Entscheidungsgrundlage.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Bildungsstätte Anne Frank den Vorschlag unterbreitet, für die staatliche Stiftungsfinanzierung eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Zusätzlich sollte demnach das Bundesverwaltungsamt feststellen, ob sich die jeweilige Stiftung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzt. Das offensichtliche Ziel dabei: den Ausschluß der AfD-Stiftung von üppigen Zuwendungen sicherstellen. Brisant dabei: Der Direktor der Bildungsstätte Meron Mendel gilt als scharfer Kritiker der Desiderius-Erasmus-Stiftung. Und für die Ausarbeitung des Vorschlags hatte die Bildungsstätte ausgerechnet den ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck beauftragt. Auch das hat ein parteipolitisches Geschmäckle.

Foto: Erika Steinbach, Präsidentin der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung: „Was der Bundestag da beschlossen hat, ist pure Willkür“