© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/22 / 24. Juni 2022

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Ausflug in die Uckermark. Zielort ist Criewen nahe der polnischen Grenze. Erstmals 1354 urkundlich erwähnt, ist es eines der ältesten beurkundeten slawischen Fischerdörfer. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts gelangte es in brandenburgischen Besitz. Der dortige Lenné-Park mit seinem heute als Schloß bezeichneten Herrenhaus und einer aus dem 17. Jahrhundert stammenden Feldsteinkirche gilt als Tor zum Nationalpark Unteres Odertal. Die 1822 von dem preußischen Garten- und Landschaftsarchitekten Peter Joseph Lenné im Auftrag des Gutsbesitzers und Rittmeisters Otto von Arnim konzipierte Parkanlage erweist sich als eine gediegene Oase der Ruhe und Erholung. Geschwungene Wege, Teiche und Brücken, vor allem aber der prächtige Pflanzen- und Baumbestand, darunter Sumpfzypressen, Sommerlinde, Schwarzkiefer und eine ahornblättrige Platane, geben der romantischen Anlage einen ganz besonderen ästhetischen Reiz. Ein Spaziergang durch den Park ist Kontemplation pur, konzentriertes Betrachten, geistige Anschauung, Verinnerlichung. Um es mit Goethes „Faust“ zu sagen: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.

Antisemitische Stereotype sind das eine, hundsmiserable zeitgenössische Kunst das andere.

Lesefundstück: „Der Staat ist verpflichtet, sowohl das Leben als auch das in der Würde des Menschen grundgelegte Recht, sich das Leben zu nehmen, zu schützen.“ (Bernhard Schlink, emeritierter Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie sowie Bestsellerautor, in einem Interview mit dem Cicero-Magazin, Juni 2022, zum Thema Sterbehilfe)


Beim Ausmisten stoße ich auf ein über zehn Jahre altes Themenheft „Intellektuelle“ der Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte (Nr. 40/2010), einer Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, und darin auf einen Aufsatz von Friedrich Wilhelm Graf, damals noch nicht emeritierter Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er schreibt dort zeitlos treffend: „Intellektuelle sind politisch vieldeutige, changierende Gestalten, und da man sie nicht zähmen kann und sie leicht verführbar sind, können sie bald auch bedrohlich werden. Daß Intellektuelle dank besonderer Geistesnähe auch größeren politischen Sachverstand und mehr prägnante Klarsicht als andere Zeitgenossen besitzen, ist insoweit nur eine gefährliche Illusion. Intellektuelle sind anfällig für alle möglichen Integrationsideologien und nicht selten irritierend blind.“


Auf dem Patronatsfriedhof an der Feldsteinkirche in Criewen befinden sich auch die Gräber des letzten Gutsherren Achim von Arnim-Criewen und seiner Ehefrau Annabel. In den Ortschroniken heißt es, sie betrieben eine Geflügelfarm und seien den Dorfbewohnern eng verbunden gewesen. Tragisch ist jedoch ihr Lebensende. Am 12. Mai 1945 wählten beide angesichts der bevorstehenden Enteignung ihres Grundbesitzes durch Gift den Freitod.


Zu den Meldungen über die Vorgänge auf der Documenta in Kassel: Antisemitische Stereotype sind das eine, hundsmiserable zeitgenössische Kunst das andere.