© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/22 / 24. Juni 2022

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Bildungsbericht in loser Folge: „Zwei Ursachen für die aktuelle Wissenschaftsabstinenz großer Teile der Bevölkerung wird man in der staatlich verantworteten Schulpädagogik aufspüren können: Zum einen in der Sozialpädagogisierung der Schule, in der statt sachhaltiges Wissen gelernt, soziale Kompetenzen erprobt werden sollen. Die Ganztagsschule diente ja erklärtermaßen der sozialpolitisch gewünschten Reduktion der Aufsichtszeiten der Eltern – nicht aber der fachlichen Qualifikation. (…) Die zweite Ursache des öffentlichen Wissenschaftsskeptizismus ist die Abkehr der staatlich legitimierten Lehrpläne vom Wissenschaftsprinzip (…) Statt Wissenschaftsorientierung nun Kompetenzschulung, wobei niemand erklärt, wie sich die ausgewiesenen Kompetenzen überhaupt systematisch (und d. h. wissenschaftlich) begründeten (…)  Hoffentlich liegt man dann nie bei einem Chirurgen auf dem Operationstisch, dessen reichhaltige Sozial- und Ich-Kompetenzen bei der Einstellung mangelnde Sachkompetenz zu kompensieren vermochten.“ (Volker Ladenthin, Emeritus für Erziehungswissenschaften)

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Infolge der Corona-Pandemie konnten keine internationalen Schachturniere durchgeführt werden. Allerdings hat der Schachweltmeister Magnus Carlsen ein Turnier organisiert, das online stattfand. Eine Untersuchung der Verläufe zeigte, daß die Spieler erkennbar schlechter spielten als unter analogen Bedingungen. Naheliegend ist die Annahme eines Konzentrationsmangels, der regelmäßig bei Bildschirmtätigkeit auftritt. Allerdings sind Schachspieler gewohnt, zu Übungszwecken an Computern zu spielen, was allgemeinere Schlußfolgerungen erschwert.

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Ein Grund für den Erfolg der Linken ist ihre Fähigkeit, sich naiv zu geben. Ein Grund für den Mißerfolg der Rechten, daß sie das anwidert.

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In den Qualitätsmedien wurde über die Ausschreitungen in Peschiera am Gardasee – wenn überhaupt – nur unter dem Aspekt berichtet, daß da Jugendliche außer Rand und Band geraten seien. Von deren Migrationserfahrung und -hintergrund war keine Rede, auch nicht von dem Schlachtruf der PoC: „Hier ist Afrika!“

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Auf fast unheimliche Weise realisiert sich in Gestalt von Mélenchons Linksbündnis das Szenario, das in der Serie „Le Baron noir“ ab Staffel 2 entworfen wurde. Auch da ist es mit Michel Vidal (dargestellt von François Morel) ein Intransigenter, der nach dem Scheitern der alten Arbeiterpartei und dem Untergang des Sowjetblocks keineswegs bereit ist, das Projekt „Sozialismus“ aufzugeben. Während sich die Genossen dem „Neoliberalismus“ angepaßt haben oder ihr Heil im Schulterschluß mit neuen Bewegungen suchen, beharrt er auf Klassenkampf und Revolution. Ziel ist die „Sechste Republik“ und zum Zweck ihrer Herbeiführung die Schaffung einer neuen „Volksfront“, die alle, von den Trotzkisten bis zu den Grünen, von den Feministinnen bis zu allen möglichen Migrantengruppen, umfassen soll. Vidal ist wie Mélenchon ein hemmungsloser Agitator, aber auch hochbelesen. Er zitiert die Klassiker neben Robespierre und Lenin, will den Frexit und den Abschied aus der Nato. Nur das mit dem Deutschenhaß Mélenchons und seiner Begeisterung für die „métissage“ beziehungsweise die „Kreolisierung“ – die Vermischung der Bevölkerungsgruppen, um den weißen Charakter Frankreichs zu tilgen – wird auf dem Bildschirm kaschiert.

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„Es ging hierzulande bei der Bundeswehr seit den 90er Jahren nicht mehr um Androhung und Anwendung militärischer Gewalt. Unsere Truppe war eher ein bewaffnetes Technisches Hilfswerk. Und wenn Sie einer Institution den eigentlichen Zweck nehmen, dann verwundert es nicht, daß die Bürokratie wuchert. Es ging nur noch darum, eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen.“ (Sönke Neitzel, Militärhistoriker)

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Zu den besonderen Leistungen der britischen Königin muß man auch die stoische Haltung rechnen, die sie angesichts der Geschmacklosigkeiten wahrte, mit denen man ihr Thronjubiläum beging.

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Nach einer Untersuchung an den Überresten von 145 Menschen, die die Paläogenetikerin Claire-Elise Fischer von der Universität York durchgeführt hat, gibt es keine Hinweise darauf, daß sich die Bevölkerungsstruktur Galliens im Eisenzeitalter (etwa 800 bis 250 vor Christus) gravierend verändert hat oder es zu vermehrter Einwanderung gekommen ist. Es existieren auch keine Hinweise auf einen „großen Austausch“ im Übergang von der Bronzezeit (etwa 2300 bis 800 vor Christus).

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In der Berichterstattung der „Tagesschau“ vom 19. Juni (20.15 Uhr) über den AfD-Parteitag wurde die Alternative für Deutschland beziehungsweise eine ihrer Strömungen dreimal als „rechtsextrem“ und einmal als „rechtsaußen“ charakterisiert. In dem folgenden Bericht über die Parlamentswahl in Frankreich sah sich Mélenchons Gruppierung als „Linksbündnis“, Marine Le Pens Rassemblement National als „Rechtsaußenpartei“ gekennzeichnet.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 8. Juli in der JF-Ausgabe 28/22.