© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/22 / 24. Juni 2022

„Für was ich mit vollem Idealismus kämpfe“
Springer steuert bei „Wokeness“-Themen um / Erfolgsautorin Basad wirft dem Konzern Einknicken vor
Zita Tipold

Ausgerechnet das Aushängeschild der Bild-Zeitung gegen „Wokeness“ zählt den Springer Verlag genau deswegen an. Politikredakteurin und Bestsellerautorin Judith Sevinç Basad verläßt den Konzern. Doch nicht stillschweigend. In einem offenen Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Springer SE gab sie am Donnerstag ihre Kündigung und Beweggründe bekannt. Demnach leugne Mathias Döpfner die Existenz zweier biologischer Geschlechter und mache kritische Stimmen „in bester Manier der Cancel Culture“ mundtot. Der Verlag, der sonst gegen „die übelsten Diktatoren der Welt“ schieße, lasse sich plötzlich „von der inhaltslosen Propaganda einer woken Minderheit in die Knie zwingen“. Selbst die eigenen Journalisten, die sich gegen das „bizarre Schauspiel“ wehrten, würden als „Menschenfeinde“ verhöhnt. 

Basads Schilderungen zufolge ging der Verlag gar so weit, einen ihrer Artikel zu verhindern, der von dem Appell mehrerer Wissenschaftler handelte, die Risiken einer medikamentösen Behandlung von Transsexuellen zu bedenken. Kurz zuvor war ein Text zu dem Thema bereits in der Welt erschienen und hatte einen „Shitstorm“ ausgelöst. „Mir wurde gesagt, daß ich den Wissenschaftler-Aufruf kritisieren sollte, ansonsten würde der Artikel nicht erscheinen. De facto wurde von mir verlangt, daß ich genau das negativ darstelle, für was ich seit Jahren mit vollem Idealismus kämpfe: vor den Gefahren des woken Aktivismus zu warnen.“ Bild-Chefredakteur Johannes Boie wies die Vorwürfe auf Twitter zurück, Basads Artikel habe lediglich nicht gehalten, was sie versprochen habe. 

Doch die Verbundenheit, die die Autorin nach eigenen Angaben einst zu den Werten des Verlags empfand, scheint erloschen. Statt Freiheit zu verteidigen, sei die Bild-Chefetage vor „woken Aktivisten“ eingeknickt. Für die Zukunft des Konzerns zieht sie eine düstere Bilanz. „Ich weiß nicht genau, in welche Richtung Springer gerade steuert, welche neuen Ideale von ‘Vielfalt und Freiheit’ in der Unternehmenskultur zukünftig etabliert werden sollen.“