© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/22 / 24. Juni 2022

In Äthiopien sind Weichen Richtung Zerfall gestellt
Finale Ausmerzung
(ob)

Oberflächlich betrachtet wandelte sich die Bundesrepublik Äthiopien nach dem Sturz des kommunistischen Regimes (1991) zur Musterdemokratie und zum Stabilitätsanker am Horn von Afrika. Ihre Entwicklung war nicht vom „kolonialen Erbe“ belastet, die ethno-föderalistische Verfassung hat Spannungen zwischen 80 Bevölkerungsgruppen bisher stets ausgeglichen, die 162.000-Mann-Armee war und ist unverzichtbarer Teil von Friedensmissionen der Afrikanischen Union, das Wirtschaftswachstum liegt seit 2005 konstant bei jährlich zehn Prozent. Seitdem sind für den Politologen Martin Pabst (München) in Äthiopien aber Weichen Richtung Zerfall gestellt worden, der für das gesamte nordöstliche Afrika eine „Katastrophe“ wäre (Politische Studien, 502/2022). Die Mutter aller Probleme erkennt Pabst darin, daß Premierminister Abiy Ahmed, ein evangelikaler Christ und Friedensnobelpreisträger von 2019, den Konflikt mit der Regionalregierung von Tigray militärisch lösen will. Mit dem Resultat eines bis heute tobenden Guerillakriegs in den dortigen Gebirgsregionen. Die von Abiy in seinen „genozidalen Reden“ angedrohte „finale Ausmerzung des Unkrauts“ in Tigray riskiere die Desintegration des Landes, da andere Regionen für ihre Unterstützung der Bundestruppen mehr Autonomie verlangen würden. 


 www.hss.de