© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/22 / 24. Juni 2022

Der Flaneur
Unverhüllte Verständigung
Elke Lau

Innerhalb weniger Jahre hatte sich das berühmte Ostseebad Travemünde zum Hundeparadies gemausert. Herrchen und Frauchen treffen sich zu Spaziergängen und vergessen bei anregenden Gesprächen zuweilen Tretminen zu beseitigen.

Für diese Gemeinde hat eine ehemalige Friseurin im Parterre des Maritim einen „Coastline Dog-Shop“ eröffnet. Sie verkauft nicht nur handgefertigte „Swim & beachwear for dogs“, Halsbänder mit Aufschriften wie „Baywatch“, „Coastguard“, „Wuff“ und „Moin“, auch kulinarische Hundedelikatessen sind im Angebot.

Die Mitnahme der Vierbeiner zum Strand ist verboten. Zuwiderhandlungen werden allerdings von den Sheriffs des Ordnungsamts großzügig übersehen. Diese Parktalibane verpassen lieber dem Fahrer, der seinen Lkw für einen Moment in der Halteverbotszone an der Ecke Rose abgestellt hat, um eine Palette mit Hotelwäsche abzuliefern, einen Strafzettel.

Es ist Sonntag. Es wird gegrillt, Frauen in Burkas spielen Fußball, alles beinahe perfekt. Chapeau!

Heute ist Sonntag. Menschenmassen schlendern die breite Strandpromenade entlang zur Badewiese kurz vor der Steilküste. Hier wurde – von wem auch immer – dafür gesorgt, daß Völkerverständigung reibungslos klappt. Nationen vom Balkan bis zum Orient sind vertreten. Es wird gegrillt, Frauen in Burkas spielen Fußball, beinahe perfekt. Chapeau!

„Die reisen an den Wochenenden aus Hamburg, Lübeck und Pinneberg an“, erfahren wir von einem Anwohner. Tatsächlich bestätigen die Kennzeichen auf den gebührenpflichtigen Parkplätzen seine Aussage. Sogar zwei ukrainische Luxuskarossen sind dabei.

Soeben stellen drei junge Frauen, elegant gekleidet, perfekt geschminkt, ihre E-Scooter am Zaun ab. Da sie sich in einer mir unbekannten Sprache unterhalten, frage ich neugierig: „Where are you from?“ „Ukraine“, antworten sie freundlich. Ich vermutete es bereits wegen ihrer langen, gelb-blau lackierten Fingernägel und des Wimpels am Lenker.

Von keiner Sachkenntnis getrübt, frage ich später einen Jugendlichen nach Mietpreisen für E-Scooter. Als er die Kosten für Freischaltung und Minutennutzung nennt, fällt mir das Zitat von Johannes Gross ein: „In Deutschland ist es wichtiger, Verständnis zu haben als Verstand.“