© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

Nur der harte Kern
Proteste beim G7-Gipfel: Deutlich weniger Teilnehmer als noch vor sieben Jahren / Die radikale Linke bleibt unter sich
Hinrich Rohbohm

Es läuft derzeit einfach nicht rund für die linke Szene. Die Linkspartei versinkt zusehends in der Bedeutungslosigkeit. Und auch auf der Straße fehlt es ihr zunehmend an Schlagkraft. Fridays for Future? Weitestgehend eingeschlafen. Aufstand der Letzten Generation? Besteht nur aus wenigen, die mit ihren Aktionen eher Unverständnis auf sich ziehen.

Am vergangenen Samstag sollte alles anders werden. Ein breites Bündnis aus Öko-NGOs und Linksradikalen wollte es den Herrschenden des auf Schloß Elmau tagenden G7-Gipfels zeigen. 20.000 Teilnehmer hatte das Bündnis für seine Demo in München erwartet. Gekommen waren nicht einmal 4.000. Einen Tag später, in Garmisch-Partenkirchen, sah es nicht besser aus. Bei der Demo war die radikale Linke unter sich. Gerade einmal 900 selbsternannte Aktivisten verschlug es in den Alpenort. Sieben Jahre zuvor waren es noch 3.600 gewesen.

Medien verschweigen den linksextremistischen Hintergrund 

Die Polizei war dafür um so stärker vertreten. Augenscheinlich sogar mit mehr Kräften, als die politische Linke an Demonstranten auf die Straße bringen konnte. „Es ist ein Skandal, daß wir nicht direkt am Schloß protestieren können“, kreischt eine Frauenstimme aus dem Demo-Zug in ein Megaphon. Was inhaltlich nicht ganz korrekt ist, denn die Protestler durften schon. Die Polizei hatte angeboten, Demonstranten mit ihren Einsatzwagen vor den Tagungsort zu chauffieren. Aber von den „Bullen“ gefahren werden? Das wollten nun wieder die linken Aktivisten nicht.

So zog man mit Maske und schwarzer Kutte vor Heimatkanal-tauglichem Alpenpanorama grollend und schmollend durch die malerische Innenstadt Garmisch-Partenkirchens – flankiert von einer gut ausgestatteten Überzahl Beamter mit Helm und Schutzwesten auf beiden Seiten der Straße. „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Wer war mit dabei? Die grüne Partei“, schallt es aus den Reihen des Schwarzen Blocks, der auch tags zuvor in München mit von der Partie war. Es klingt wie eine wütende Anklage an Olaf Scholz und Robert Habeck. Einstige Mitstreiter im Geiste, die nun aber um Akzeptanz für Krieg und Kohlekraft werben.

Für die Protestler sollte es aber noch dicker kommen. An einer Kreuzung stehen mehrere hundert Ukrainer mit ihren blau-gelben Nationalflaggen, zumeist Frauen. Einige tragen Trachtenkleider, in den Haaren Blumenschmuck. Als sich der linke Demo-Zug mit seinen roten Hammer-und-Sichel-Sowjetfahnen auf sie zubewegt, stimmen sie die ukrainische Nationalhymne an. Ein ganzer Cocktail an Eskalationspotential liegt in der Luft. Kann das gutgehen?

Es kann. Es muß. Eingehegt zwischen Polizisten bleibt selbst dem nicht für seelische Ausgeglichenheit bekannten Schwarzen Block nur die Option, die Szenerie im Vorbeigehen mit Fassung zu tragen. Sekunden der Irritation und Sprachlosigkeit verrinnen in dem sonst so lautstarken linken Demo-Zug. Einige probieren es mit „Hoch die internationale Solidarität“ als Antwort. Andere versuchen sich mit den Ukrainern zu solidarisieren, klatschen Beifall. Der abrupt und mit entsetzten Gesichtern endet, als die Gegendemonstranten beginnen, „Schwere Waffen für die Ukraine“ zu skandieren.

„Also Lenin hat ja nach dem Ersten Weltkrieg auch Land abgegeben, um Frieden zu schaffen. Das müßt ihr Ukrainer jetzt auch tun“, ertönt es nach einer Phase des Schweigens leicht stotternd aus einem Megaphon der Linken, deren Versuch, ihren Anti-G7-Protest in breiten Bevölkerungsschichten zu verankern, deutlich gescheitert ist.

Wer aber sind die Drahtzieher der Proteste? Im Impressum ihres Internetauftritts haben die G7-Gegner von München den Landesverband Berlin der Naturfreunde Deutschlands aufgeführt, eine sozialistische Organisation, die in Deutschland laut eigenen Angaben rund 66.000 Mitglieder hat. Dessen Schatzmeister Uwe Hiksch steht dort als inhaltlich Verantwortlicher. Hiksch ist auch wie schon 2015 der Demo-Anmelder. In den neunziger Jahren fungierte er noch als SPD-Bundestagsabgeordneter, ehe er die Partei 1999 verließ und sich der damaligen PDS-Fraktion anschloß. Wenige Jahre später wirkte der heute 57jährige als PDS-Bundesgeschäftsführer. Zudem arbeitete er als Büroleiter für die ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Annette Groth, die in der Vergangenheit mehrfach mit antiisraelischen Aktionen Kontroversen ausgelöst hatte.

Gemeinsam mit der ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Bundessprecherin der Antikapitalistischen Linken, Inge Höger, nahm sie 2010 am sogenannten Ship-to-Gaza-Konvoi teil, der die israelische Seeblockade des Gazastreifens zu durchbrechen versuchte. Sowohl Höger als auch Groth gehören den Naturfreunden Deutschlands an, Uwe Hiksch zudem auch dessen Bundesvorstand.

Hiksch ist auch Sprecher des Marxistischen Forums, das sich überwiegend aus Mitgliedern der zur Linkspartei gehörenden Kommunistischen Plattform und der Antikapitalistischen Linken zusammensetzt. Beide Organisationen stuft das Bundesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch ein. Trotz des eindeutigen politischen Hintergrundes ihres Demo-Anmelders ließen sich etablierte NGOs wie WWF, Oxfam, Greenpeace, Brot für die Welt oder der Naturschutzbund als Träger des Protests einspannen. Medienvertretern war dieser Umstand bisher keine Erwähnung wert. Zuschauer, Zuhörer und Leser wurden mit dem Eindruck zurückgelassen, bei den Protestlern handele es sich lediglich um ein Bündnis von Umwelt-und Hilfsorganisationen. Nicht zuletzt durch die mangelnde Beteiligung trat der linksradikale Kern der Demo jedoch offen zutage.

Flugblätter kommunistischer Gruppen wurden verteilt, Banner mit Klassenkampf-Parolen dominierten den Demozug. Die Bühne auf der Theresienwiese wurde für Aufrufe zur Demo der Linksradikalen in Garmisch-Partenkirchen genutzt. Für die wiederum York Runte als Impressum-Verantwortlicher auf den Plan tritt. Die dort aufgeführte Adresse: offensichtlich ein Fake. Unter der angegebenen Hausnummer in dem fränkischen Ort Niederstetten logiert nicht Runte, sondern ein Geflügel-Bauernhof.

Im Netz findet sich hingegen ein York Runte, der dem vertretungsberechtigten Vorstand des Netzwerks Selbsthilfe München e.V. angehört. Der Verein ist Teil eines bundesweit agierenden Netzwerks Selbsthilfe, das 1978 nach den West-Berliner Studentenstreiks gegen Berufsverbote entstand und linke Gruppierungen finanziell sowie politisch berät. Der von Rudi Dutschke mitgegründete Verein hat seinen Sitz im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg. Dort, wo auch zahlreiche Projekte der linksautonomen Szene ansässig sind.

Ebenfalls findet sich ein Eintrag zu Runte UG Industriemontagen in der Ligsalzstraße 8 in München. Das Haus „Ligsalz8“ ist ein Wohnprojekt des linksradikalen Mietshäusersyndikats. Bei einem Besuch vor Ort läßt sich schnell feststellen: Keine 50 Meter davon entfernt befindet sich der Sitz des Netzwerks Selbsthilfe München. In der Schwanthalerstraße 139. Dort angekommen zeigt sich ein Gebäude mit großem Schaufenster mit Politik-Broschüren darin liegend. Es ist Sitz des Kreisverbandes München der Linkspartei.

Foto: Demonstrationen rund um das G7-Treffen auf Schloß Elmau: Flugblätter kommunistischer Gruppen wurden verteilt, Banner mit Klassenkampf-Parolen dominierten den Demozug