© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

Leerstand im Lehrerzimmer
Bildungsbericht: Deutschlands Schulen und Kindergärten bekommen die Krise / Ein Grund dafür ist auch die verfehlte Einwanderungspolitik
Peter Freitag

Wer unangenehme Fakten verschleiern will, hat zwei Möglichkeiten: Entweder er mauert und schweigt oder er erstickt mit einer Fülle an Informationen jegliches Interesse daran gleich im Keim. Für diesen Weg entschieden sich offenbar die Kultusminister der Länder, wenn alle zwei Jahre der Bildungsbericht veröffentlicht wird.

Vergangene Woche haben die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, Karin Prien (CDU), und die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP), den nunmehr neunten Bericht vorgestellt. Experten und Forscher aus ganz Deutschland haben untersucht, erhoben – und das Ergebnis auf über 400 Seiten zusammengetragen. Ungewiß, wer das in Gänze liest und sich durch die Flut an Grafiken und Statistiken wühlt. Ministerin Prien faßt das Ergebnis jedenfalls als Bestätigung des Erfolgs der politisch Verantwortlichen zusammen: Die Kultusminister hätten den „richtigen Weg eingeschlagen“ – ungeachtet der Tatsache, daß in der Schulpolitik zwischen Bremen und Bayern, Berlin und Sachsen Welten liegen. Ihre Kollegin Stark-Watzinger ist daher auch weniger optimistisch, der Bericht zeige einmal mehr: „Unser Bildungssystem muß besser werden.“

Offenbar sehen das auch die Experten so, auch wenn weder Kritik noch konkrete Handlungsempfehlungen zu ihrem Auftrag gehören. Kernbotschaft ist aber: Es fehlen pädagogische Fachkräfte, und der Mangel an Erziehern und Lehrern wird in Zukunft noch schlimmer. Allein in Kindergärten und Grundschulen sollen den Vorausberechnungen zufolge im Jahr 2025 Zehntausende Fachkräfte fehlen. Gleichzeitig steigt der Bedarf an „Reparaturen“: Der Anteil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist gestiegen. Und insgesamt sind beispielsweise die Lesekompetenzen von Viertkläßlern zwischen 2016 und 2021 gesunken – durch die pandemiebedingten Schulschließungen wird das Problem noch weiter verschärft. Insgesamt litten unter fehlendem Präsenzunterricht vor allem die Schwachen. Und dann ist da die Sache mit der Demographie. Ein Viertel aller Personen hierzulande hat einen sogenannten Migrationshintergrund, bei den unter 6jährigen sind es schon 40 Prozent. 

 In Deutschland spricht jedes fünfte Kita-Kind im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt zu Hause überwiegend eine andere Sprache als Deutsch. Personen mit Migrationshintergrund wiederum haben dem Bericht zufolge häufiger „instabile Bildungsverläufe“ (neun Prozent gegenüber 5,5 Prozent bei Personen ohne Migrationshintergrund). Instabile Bildungsverläufe sind gekennzeichnet durch einen „längeren Verbleib außerhalb des Bildungswesens oder durch Erwerbslosigkeit“ nach einem nichtgymnasialen Schulbesuch.

Wobei die Autoren des Berichts nicht müde werden zu betonen, daß dafür nicht der Migrationshintergund an sich das Problem sei, sondern die „in dieser Bevölkerungsgruppe kumulierenden sozioökonomischen Herausforderungen“. Eine oder mehrere „sozioökonomische Risikolagen“ (formal gering qualifiziert, nicht erwerbstätig oder ein Leben unter der Armutsgefährdungsgrenze) treffen bei Kindern mit Migrationshintergrund zu 48 Prozent zu, bei Kindern ohne Migrationshintergrund sind es 16 Prozent. Am Ende folgt daraus: Mehr Problemfälle erfordern mehr Personal – und mehr Kosten.