© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

Grüße aus … Brüssel
Nicht über jedes Detail streiten
Carl Gustaf Ströhm

Es ist nur eine kurze Autofahrt von Brüssel nach Antwerpen. Eine Dreiviertelstunde zeigt einem das Navi an, aber auch nur dann, wenn kein Verkehr ist. An gewissen Stunden und Tagen braucht man, wie so oft in Belgien, nicht einmal daran zu denken mit dem Auto irgendwo hinzufahren. Da entpuppt sich eine 45- Minuten-Fahrt zu einem gefühlten 1.000- Kilometer-Trip. 

Doch Antwerpen ist immer eine Reise wert. Wer noch nie dort war, sollte diese Stadt unbedingt besuchen und eine Hafentour unternehmen. So lernte ich die Stadt das allererstemal durch unsere flämischen Freunde aus dem EU-Parlament kennen. Alles stramme Kämpfer für den Vlaams Belang, eine der vielen Partnerparteien in der Fraktion Identität und Demokratie (ID). Jene flämischen Freunde luden vergangenen Donnerstag im Rahmen der ID-Partei zu einem gemeinsamen Treffen in Antwerpen ein. Genauer gesagt in die neu restaurierte Handelsbörse – übrigens auch ein Muß, wenn man diese Stadt besucht. 

Ein ist klar: Für die europäische Rechte und die Konservativen steht sehr viel auf dem Spiel.

Mit dem Titel „Unser Europa“ wollte man den Damen und Herren im fünfzig Kilometer entfernten Brüssel zeigen, daß patriotische und konservative Parteien wieder zum berühmten „rechten Vernetzungstreffen“ einluden. Gerade unsere flämischen Freunde und ihr Parteichef Tom van Grieken kamen mit stolzgeschwellter Brust nach Antwerpen, um zweierlei klarzustellen: Zum einen ist man jetzt die stärkste Kraft im Land und zum anderen ist es gelungen, niemand geringeren als die ungarische Justizministerin, Judit Varga, ans Podium zu holen. 

Demnach ein weiterer, gerade für die Parteien in der ID wichtiger Schritt zu einer möglichen großen patriotischen und konservativen Koalition. Das betonte auch Harald Vilimsky von der FPÖ: Nur eine intensive Kooperation und ein Zusammenschluß aller patriotischen und konservativen Kräfte kann eine europapolitische Wende herbeiführen.

 Auch die ungarische Justizministerin unterstrich dies, indem sie die zwölf Thesen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán vortrug, die er vor wenigen Wochen in Budapest während der Konservativen politischen Aktionskonferenz (CPAC) formulierte. Sie betonte vor allem den zehnten Punkt: die Notwendigkeit an Freunden und gleichgesinnten Partnern, die sich nicht über jedes einzelne Detail streiten, sondern für eine gemeinsame Sache kämpfen. Für die europäische Rechte und die Konservativen steht sehr viel auf dem Spiel. Will man in Zukunft den direkten Weg einer engen Kooperation gehen mit klaren Zielvorgaben, so wird es wie die am Anfang beschriebene Autofahrt von 45 Minuten, die man gerne unternimmt. Verfällt man in kleinpolitisches Geplänkel und Streit, wird es die 1.000-Kilometer-Horrorfahrt, die nie endet und nie enden wird.