© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

„Gott hat die Entscheidung getroffen“
USA: Die Änderung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch erhitzt die Gemüter
Liz Roth

Es ist entschieden – das 49 Jahre alte monumentale Urteil Roe vs. Wade, das die Abreibung in ganz Amerika legalisierte, ist auf der föderalen Ebene nun gekippt. Für die Linke ist dies ein Schock. „Es bricht mir das Herz für das Mädchen im Teenageralter, das voller Elan und Versprechen ist und nicht in der Lage sein wird, die Schule abzuschließen oder das Leben zu leben, das sie sich wünscht, weil ihr Staat ihre reproduktiven Entscheidungen kontrolliert“, schrieb die ehemalige First Lady Michelle Obama auf Twitter. 

Ein durchgesickerter Meinungsentwurf der höchsten Richter des Landes hatte im Mai bereits angekündigt, daß die Mehrheit des Gerichtes das jahrzehntealte Urteil revidieren würde. Mit der offiziellen Veröffentlichung haben die Richter in einer 6:3-Entscheidung in der Rechtssache Dobbs vs. Jackson Organisation für die Gesundheit von Frauen (Women’s Health Organization) vergangenen Freitag verkündet, daß jegliche Regelungen zur Abtreibung zukünftig den einzelnen Staaten überlassen sein sollen. Es gebe kein verfassungsmäßiges Recht auf Abtreibung, so das Fazit. 

Das Leck im Mai hatte bereits landesweite Proteste und Dutzende von Angriffen auf Abtreibungsgegner und Vandalismus ausgelöst. Mit der Urteilsverkündung gingen wiederum Tausende in Befürwortung sowie in Opposition auf die Straße. 

Richter Samuel Alito schrieb, daß sowohl Roe als auch ein späterer Fall aufgehoben werden müßten. „Roe war von Anfang an falsch. Die Argumentation war außerordentlich schwach, und die Entscheidung hatte schädliche Folgen. Und weit davon entfernt, eine nationale Regelung der Abtreibungsfrage herbeizuführen, wurde die Debatte angeheizt und die Spaltung vertieft“, schrieb Alito in seiner Mehrheitsmeinung. „Es ist an der Zeit, die Verfassung zu beherzigen und die Frage der Abtreibung an die gewählten Volksvertreter zurückzugeben.“

Alito wurde von den anderen konservativen Richtern des Obersten Gerichtshofs unterstützt, darunter der oberste Richter John Roberts. Die drei von demokratischen Präsidenten berufenen linksliberalen Richter erklärten: „Mit Bedauern – für dieses Gericht, aber mehr noch für die vielen Millionen amerikanischer Frauen, die heute einen grundlegenden verfassungsrechtlichen Schutz verloren haben – stimmen wir nicht zu.“

Demokraten und Linke entsetzt und die Republikaner frohlocken

Zunächst werden 13 Staaten mit „Trigger-Bans“ (Auslöseverbote), die in Kraft treten sollen, sobald Roe gekippt wird, Abtreibungen innerhalb von 30 Tagen verbieten, berichtet die Washington Post. „Es wird erwartet, daß mehrere andere Staaten, in denen die jüngsten Anti-Abtreibungsgesetze von den Gerichten blockiert wurden, als nächstes handeln werden, indem die Gesetzgeber ihre ruhenden Gesetze aktivieren.“ 

Demokraten und Linke zeigten sich anschließend erschüttert, Republikaner und Konservative begrüßten die Entscheidung. Die Sprecherin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, betonte, es habe „keinen Sinn, ‘Guten Morgen‘ zu sagen, denn es ist sicherlich keiner“. Parallel dazu bezeichnete sie das Urteil als „grausam“ und „empörend und herzzerreißend“. Der sozialistische Senator Bernie Sanders tweetete: „Roe v. Wade zu kippen und Frauen das Recht zu verweigern, über ihren eigenen Körper zu bestimmen, ist ein Skandal und eine Mißachtung dessen, was das amerikanische Volk will.“ Präsident Joe Biden unterstellte den Richtern, sie „hätten dem amerikanischen Volk ein verfassungsmäßiges Recht entzogen“.

Trump hingegen erklärte, daß es „für alle gut ausgehen“ werde, da die Frage des Schwangerschaftsabbruchs wieder an die Staaten zurückgegeben werde. Gegenüber Fox News betonte er: „Wir halten uns an die Verfassung und geben Rechte zurück, die wir schon vor langer Zeit hätten geben sollen.“ Auf die Frage, ob er das Gefühl habe, daß er durch seine Ernennungen zum Obersten Gerichtshof eine Rolle bei der Entscheidung gespielt habe, antwortete Trump: „Gott hat die Entscheidung getroffen.“