© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

Die Lehren aus der vor 25 Jahren ausgebrochenen Asienkrise
Heftige Abwertungen
Thomas Kirchner

Am 2. Juli 1997 wertete Thailand den Baht ab und löste damit eine Währungskrise aus, die die „Tigerstaaten“ zurückwarf und in deren Folge sogar Rußland zahlungsunfähig wurde. So sehr die Krise Beobachter kalt erwischte, die Ursachen hatten länger zurückgereicht. Feste Wechselkurse ermöglichten besonders Immobilienfirmen in Indonesien, Malaysia, Südkorea und Thailand, billige Dollar-Kredite aufzunehmen, ohne sich um das Kursrisiko zu kümmern. Japanische Banken hatten viele dieser Schulden arrangiert, mußten aber wegen fauler Kredite im Heimatmarkt ihr Auslandsengagement reduzieren. Um niedrige Zinsen zu bekommen, hatten die Kreditnehmer kurze Laufzeiten gewählt.

Als klar wurde, daß viele Kredite gleichzeitig fällig und nicht verlängert wurden, begann ein Wettlauf, zur Tilgung die eigene Währung in Dollar zu wechseln. Der Ansturm überstieg die Devisenreserven der Zentralbanken – Abwertungen waren unausweichlich. Das erhöhte die Last der Dollarschulden. Ganze Wirtschaftszweige wurden zahlungsunfähig. Bauruinen zeigten die hohe Dollarverschuldung anschaulich. Um von ihren Fehlern abzulenken, beschuldigten Regierungen Währungsspekulanten. Malaysias damaliger Premier Mahathir bin Mohamad attackierte speziell George Soros. Der schrieb aber Jahre später, die prekäre Lage der Tigerstaaten vor der Krise verschlafen und an den Abwertungen nichts verdient zu haben.

Der Währungsfonds IWF hatte eine Sternstunde, denn die Beilegung von kurzfristigen Zahlungsbilanzproblemen war seine ursprüngliche Aufgabe. Strukturelle Haushaltsdefizite wie in Griechenland oder Argentinien durch Mehrverschuldung zu übertünchen, war in der Asienkrise nicht notwendig, denn die Länder brauchten nur Liquidität zur Überbrückung der fälligen Kredite des Privatsektors. Die „Tigerstaaten“ erholten sich schnell. Gewinner war deren Exportbranche, denn ihre Kosten waren durch die Kursabwertungen gesunken. 2011 stieg Thailand in die Gruppe der Länder mit Einkommen im oberen Mittelfeld auf. Zum Vergleich: EU-Beitrittskandidat Ukraine liegt tief im unteren Mittelfeld, während Taiwan und Südkorea bereits vor der Krise zu Ländern mit gehobenem Einkommen zählten.

Einen festen Wechselkurs verfolgt nach wie vor Hongkong, dessen Dollar an den US-Dollar gekoppelt ist. Von 1988 bis Ende 2021 sind Hongkongs Devisenreserven von 16 auf 499 Milliarden Dollar gewachsen. Doch seit die US-Zentralbank Fed die Zinsen erhöht (JF 20/22) und China wegen seines wackeligen Immobilienmarkts die Zinsen senkt, sitzt Hongkong in der Falle. In diesem Jahr sind die Devisenreserven um 40 Milliarden Dollar gesunken, obwohl die Zentralbank einen Verfall der Währung zum US-Dollar auf den tiefsten Stand seit 1983 zulassen mußte. Bleibt der Zinsunterschied zwischen China und den USA bestehen, muß sich Hongkong entscheiden: die Zinsen auf US-Niveau erhöhen oder abwerten.

Die hohen Währungsabflüsse reflektieren nicht nur die Abwertungsängste, sondern auch den Wegzug vieler Bürger wegen der völligen Übernahme durch China. Vor einem ähnlichen Dilemma steht Japans Zentralbank. Ihr Anleihekaufprogramm hält zehnjährige Zinsen unter 0,25 Prozent. Doch wegen der gestiegenen Dollarzinsen verfällt der Kurs des Yen, in diesem Jahr schon um 25 Prozent. Also: Entweder, die Zinsen in Japan müssen steigen, oder der Yen wird weiter an Außenwert verlieren.