© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

G7-Gipfel beschließt Verbot von Gold-Importen aus Rußland
Boykott mit Nebenwirkungen
Thorsten Polleit

Auf dem G7-Gipfel wurde eine weitere Sanktion erlassen: „Wir sind entschlossen, Rußlands Einnahmen zu vermindern, auch in bezug auf Gold“, heißt es in einer Erklärung von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und der USA sowie der EU zur Unterstützung der Ukraine. Rußland war 2021 der weltweit zweitgrößte Goldproduzent mit 331 Tonnen – knapp hinter China mit 332 Tonnen. Mit neun Prozent der geförderten Goldmenge erzielte Moskau Einnahmen von 15,5 Milliarden Dollar. Doch viele Länder tragen die westlichen Sanktionen nicht mit. Russische Goldexporte nach China, Indien oder in die Türkei sind weiter möglich.

Daher ist mehr als fraglich, ob der Gold­importboykott Rußland überhaupt den erwünschten finanziellen Schaden zufügen kann. Zudem ist zu bedenken, daß der Westen Rußlands Währungsreserven – umgerechnet etwa 617 Milliarden Dollar, wobei die Goldreserven 132 Milliarden Dollar oder 21 Prozent der Währungsreserven betrugen – „eingefroren“ hat. Ländern, die dem Führungsanspruch des Westens „kritisch“ gegenüberstehen – wie zum Beispiel China, Indien, Brasilien, Südafrika, also die BRICS-Staaten – entgeht die Botschaft nicht: Washington bestimmt in letzter Konsequenz, wer über seine Dollar-Guthaben verfügen darf und wer nicht. Das verstärkt mehr denn je den Anreiz, fortan weniger abhängig von US-Dollar, Euro, japanischem Yen, britischen Pfund und kanadischem Dollar zu werden. Im Gegenzug dürfte die Bereitschaft der BRICS-Staaten zunehmen, ihre Währungsreserven anderweitig zu investieren – auch in physisches Gold. Der Importboykott des Westens für russisches Gold dürfte nicht zuletzt auch die Pläne zur Schaffung einer vom Westen unabhängigen Handels- und Reservewährung beleben. Wladimir Putin hatte ein solches Vorhaben erst kürzlich in Aussicht gestellt.

Der Boykott russischen Goldes durch die G7 – wenn er effektiv in die Tat umgesetzt wird – ist letztlich ein Schritt, der die Weltgemeinschaft noch stärker zu entzweien droht. Er wird sich sehr wahrscheinlich als ein neuerliches Lehrstück erweisen, daß man mit wirtschaftspolitischen Sanktionen nicht die gewünschten Ziele erreicht, sondern daß man mit ihnen sogar Entwicklungen in Gang setzt, die bestehende Probleme noch gewaltig vergrößern.