© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

Ein weiterer Nackenschlag für den Industriestandort
Autoindustrie: Ford schließt nach 55 Jahren sein Werk im Saarland / Sieg für Valencia / In Köln sollen E-Autos auf VW-Plattformen vom Band laufen
Christian Schreiber

Die Entscheidung von Ford für Valencia hat nicht nur in Saarlouis Entsetzen ausgelöst. Ohnehin von einem harten Strukturwandel betroffen, droht im Saarland der Wegfall von bis zu 6.000 gut bezahlten Arbeitsplätzen – die Folgewirkungen durch den Kaufkraftverlust nicht mitgerechnet. Damit endet eine erfolgreiche Autotradition, die 1970 mit der Produktion des ersten Escort begann (JF 5/22). Die Wut ist groß auf die Firmenzentrale in Dearborn, doch manche glauben auch, daß das Debakel hausgemacht sei.

Zwar ist die saarländische Belegschaft hoch qualifiziert und die Fabrik modern, aber Standortfaktoren wie Steuern, Lohnnebenkosten oder Umweltauflagen hätten dann doch für Spanien gesprochen. „Valencia ist der präferierte Standort in Europa, um das Ziel einer vollelektrischen Zukunft von Ford zu erreichen“, erklärte Stuart Rowley, Europa-Chef des US-Autokonzerns. Die Entscheidung sei „nach einem umfassenden Konsultationsprozeß mit beiden Standorten gefallen“, so der englische Ingenieur, der seine Karriere 1990 bei Ford of Britain startete. Bis Ende 2025 wird in Saarlouis noch die vierte Generation des Focus produziert, der danach ersatzlos ausläuft.

Im spanischen Valencia werden derzeit der SUV Kuga sowie die Minivans Galaxy und S-Max hergestellt. Das Mittelklassemodell Mondeo ist im April endgültig ausgelaufen. Für Saarlouis gebe es laut Rowley drei Alternativen: Es könnten Teile für andere Ford-Werke produziert oder Elektroautos recycelt werden. Denkbar sei auch eine Beschäftigung durch andere Unternehmen. Der Ford-Betriebsrat und die Gewerkschaften halten dies für ein Spiel zum Zeitgewinnen, sprechen von Taschenspielertricks und fordern ein Bekenntnis, mit wie vielen Arbeitsplätzen der Konzern künftig an der Saar plane. Das 2014 geschlossene Opel-Werk in Bochum ist ein abschreckendes Beispiel.

Der saarländische Branchenverband Autoregion warnte hingegen vor einer „strukturpolitischen Panik“ und forderte kreative Lösungen: „Die Landesregierung könnte in Asien einen E-Autohersteller akquirieren, der in Europa eine Fertigung aufziehen will und diese im Ford-Areal von Saarlouis ansiedeln“, erklärte Verbandsgeschäftsführer Armin Gehl. Er verwies auf die 40.000 Arbeitsplätze bei Bosch über Eberspächer bis ZF sowie auf etliche mittlere Zulieferer, „die alle originäre Wertschöpfung am ‘Standort Saar’ schafften“. Die neue Landesregierung unter Ministerpräsidentin Anke Rehlinger sieht sich gleich zu Beginn ihrer Amtszeit nun mit einer harten Krise konfrontiert. Konkrete Pläne hat die ehemalige Wirtschaftsministerin allerdings keine in der Tasche. So blieb es zunächst bei der Ankündigung, ihre SPD-Alleinregierung werde die Beschäftigten nicht im Stich lassen und um jeden Arbeitsplatz kämpfen.

Ford hat erneut versichert, den 1931 eröffneten Standort in Köln zu erhalten. Hier sollen E-Autos auf VW-Plattformen vom Band laufen. Dies könnte ein Rettungsanker für jüngere Mitarbeiter aus Saarlouis werden. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Verkauf des Werks an einen asiatischen Konkurrenten. Der Ford-Betriebsratschef Markus Thal sagte in einem TV-Interview dennoch hörbar erregt: „Wir wurden belogen und betrogen.“ Er werde das Werks-Aus niemals akzeptieren. Doch etwas anderes wird ihm am Ende kaum übrigbleiben.