© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

Zeitschriftenkritik: Die Neue Ordnung
Die Wahrheit hinter den Kulissen
Werner Olles

Mit der aktuellen Ausgabe der Zweimonatsschrift Die Neue Ordnung hat der Theologe, Sozialethiker und Ordensgeistliche Pater Wolfgang Ockenfels als verantwortlicher Redakteur den Staffelstab an Pater Wolfgang Spindler weitergegeben. In seinem Editorial bekennt der ebenfalls dem Dominikanerorden angehörende neue Chefredakteur: „Würde die heutige Redaktion vor die Aufgabe gestellt, diese Zeitschrift ins Leben zu rufen und zu begründen, würde sie vermutlich vorsichtiger sein. Vom Lauf der Geschichte ernüchtert würde sie sagen: Das christliche Abendland ist 1914 untergegangen und mit ihm seine Kultur. Heute, mehr als 75 Jahre später, existieren von dieser Kultur nur noch Restbestände: Säkularisate, Surrogate, um nicht zu sagen Kulissen. Ein Großteil der Tonangebenden will selbst diese noch beseitigen.“

Über Bischof Ketteler und die soziale Frage schreibt Lothar Roos. Trotz seiner massiven Kritik am zeitgenössischen Wirtschaftsliberalismus habe Ketteler eine freiheitliche Wirtschaftsordnung innerhalb bestimmter Grenzen für sinnvoll gehalten. Doch müßten die negativen Folgen gemildert werden, daher sah er auch den damals existierenden Liberalismus als „Hauptfeind“. Er regte zahlreiche genossenschaftliche Projekte an, die man als Vorformen der heutigen Sozialversicherungen sehen kann. Die Auseinandersetzung mit den politischen Ideen seiner Zeit führte ihn jedoch zur Einsicht, daß es nicht nur einen feudalistischen, sondern auch einen demokratischen Absolutismus gibt. Nach Ketteler kann ein Volk von „Egoisten“ keine menschenwürdige Gesellschaft begründen, je unmoralischer sie sei, desto lauter schreie sie nach dem Staat, und desto teurer werde dieser. So dürften die Bürger ihre Rechte und Pflichten nicht freiwillig an den Staat abtreten, was heute der Fall sei.

Eberhard Straub befaßt sich in seinem Beitrag „Dramen des Vertrauens“ mit den „Maskeraden des Confidence-Man von Herman Melville“. Er zitiert Alexis de Tocqueville, der im zweiten Band seiner Untersuchungen „Über die Demokratie in Amerika“ schrieb: „Ich bin überzeugt, daß auf die Dauer die Demokratie die Erfindungskraft von allem, was außerhalb des Menschen ist, hinweglenkt, um sie einzig auf den Menschen zu richten.“ Wo die Wahrheit aber nicht mehr zu erkennen sei, da verflüchtige sich auch die Wirklichkeit, und herrsche die Fiktion. In der Zeit des Argwohns und der Lüge lasse sich die Welt nur fragmentarisch beschreiben, in einzelne Eindrücke zerlegen, die alle zusammen als Teile eines Puzzles sich nicht mehr zu einem Ganzen fügen. Melville habe in vielen Romanen und Gedichten beschrieben, wie sehr Meinungen, Leidenschaften, Parteilichkeit und Eigensinn die Wahrheit verdunkelten.

Kontakt: Verlag Franz Schmitt, Postfach 1831, 53708 Siegburg. Das Einzelheft kostet 5 Euro, ein Jahresabo 40 Euro.

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