© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

Wo Reden lautes Denken ist
Bildungsanspruch: Die Bibliothek des Konservatismus hat zwei Podcast-Formate ins Leben gerufen
Florian Werner

Was werden wohl die Forscher denken, die unsere Zivilisation in ferner Zukunft ausgraben? Der französische Philosoph Jacques Derrida – seines Zeichens Vater der berühmt-berüchtigten „Dekonstruktion“ – hat sich diese Frage immer wieder gestellt. Werden die Wissenschaftler die Romane, Gemälde, Theaterstücke und Notenblätter verstehen, die wir zurücklassen? Oder mit anderen Worten – kann man sich in eine Kultur hineinversetzen, deren lebendige Grundlage bereits verloren ist?

Ganz ähnliche Fragen stellen sich auch Wolfgang Fenske, Jonathan Danubio und Tano Gerke von der Bibliothek des Konservatismus (BdK) in Berlin. In ihrem neuen Podcast „Katechon“ – der altgriechische Begriff stammt aus dem Neuen Testament und bezeichnet dort den Niederhalter des Bösen – nehmen sie eine dezidiert konservative Bestandsaufnahme der abendländischen Kultur vor und loten dabei aus, was nach Jahrhunderten der Unfälle und Katastrophen noch von ihr zu retten ist.

Weniger Schnickschnack, dafür mehr Substanz 

Die erste Folge „Was ist Konservatismus?“ wagt sich denn auch gleich mit einer ersten Standortbestimmung aus der Deckung und vollführt eine Tour d’horizon durch die Geschichte des konservativen Denkens. Bibliothekschef Fenske, Sammlungsleiter Danubio und BdK-Medienfachmann Gerke debattieren dabei über Kunst und Geschichte, Philosophie und Religion aus über zwanzig Jahrhunderten abendländischer Kultur. Neben der Französischen Revolution und der Romantik kommen unter anderem auch Friedrich Nietzsche, Hegel als Vertreter des deutschen Idealismus sowie die Ideenwelt der Konservativen Revolution zur Sprache. Kleists Ratschlag, die Gedanken frei beim Reden zu entwickeln, scheint hier Pate zu stehen. Auf diese Weise kommt eine Unterhaltung zustande, der man gerne zuhört. 

„In den nächsten Folgen von ‘Katechon’ werden wir uns weiterhin grundsätzlich mit dem Thema Konservatismus beschäftigen“, kündigt Gerke im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT an. Geplant sei unter anderem eine Folge mit dem Historiker Karlheinz Weißmann über das Thema „Konservatismus heute“ und eine zu Hans Magnus Enzensbergers „Aussichten auf den Bürgerkrieg“.

Die Hörer dürfen sich also freuen, bieten Fenske, Danubio und Gerke am Mikrofon doch sachlich fundierte Information in lauschiger Konversationsatmosphäre. Weniger Schnickschnack, dafür mehr Substanz. Im konservativen Milieu ist das ein Novum – denn weder Unterhaltungsformate wie der „Krautzonen-Podcast“ noch Jungeuropas intellektuelleres Angebot „Von rechts gelesen“ vertreten einen so klassisch vorgetragenen Bildungsanspruch wie „Katechon“ von der Bibliothek des Konservatismus. Daß dieser Anspruch in seiner Umsetzung am Ende nicht zu trocken ausfällt, wäre der Sendung daher sehr zu wünschen.

Wer sich nach den zeitlich ziemlich ausgreifenden Folgen noch mehr Kluges anhören will, dem sei das BdK-Begleitformat „Forum“ empfohlen. Hier werden die in der Bibliothek stattfindenden Vorträge und Diskussionen für die digitale Welt aufbereitet. „Damit erweitern wir unser inhaltliches Angebot und machen unsere Arbeit auch jenen zugänglich, die nicht im Einzugsbereich der Bibliothek wohne.“, teilte die Bibliothek mit. Sowohl „Forum“ als auch „Katechon“ sind auf Spotify, Apple Music und anderen großen Streaming-Plattformen zu finden. Mit ihrem Anspruch auf konservative Bildungsarbeit im Internet dürfen sich  die beiden Podcasts schon jetzt als Pioniere verstehen. Oder, um es mit den Worten Kleists auszudrücken: „Ein solches Reden ist ein wahrhaft lautes Denken.“


 www.bdk-berlin.org