© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

„Das Böse ist für Erwachsene!“
Kino: Der Computertrickfilm „Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss“ folgt erzählerisch und ideologisch bekannten Mustern
Dietmar Mehrens

Die Siebziger scheinen es Hollywood angetan zu haben. Nach dem Oscar-nominierten Schwank „Licorice Pizza“ von Paul Thomas Anderson (JF 5/22) und dem Gruselkrimi „The Black Phone“ (JF 26/22) werden nun die kleineren Zuschauer mit Reminiszenzen aus der Zeit der Stirnbänder und Hippie-Frisuren bedacht. 

Eine Hippie-Frisur haben die maisfarbenen, bohnenförmigen Minions zwar nicht. Aber beim Aufstieg vom computeranimierten Pausenfüller zur vermarktungsrelevanten Kultfigur kommt es nicht unbedingt auf Ästhetik an. Sie laufen in der Regel kahlköpfig herum, tragen Latzhosen und verständigen sich untereinander und mit der Außenwelt in einem unübersetzbaren spanisch-italienischen Mischdialekt. Der einzige, der nichts versteht, ist der Zuschauer – ein verblüffend innovatives Konzept. Einige der Minions sind Zyklopen, die meisten zweiäugig, aber alle kurzsichtig. Das verbindet sie mit ihren Machern, deren Blick nicht sonderlich weit in die Vergangenheit reicht. Mit der zeittypischen Kurzsichtigkeit projizieren sie lediglich aktuelle Befindlichkeiten in die Ära von Bee Gees und Boney M. Deshalb stößt man in „Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss“ an vielen Stellen auf den Hintergründen und Kulissen angehefteten, miserabel getarnten New-Age-Regenbogen, obwohl die kampagnenhafte Verbreitung der dadurch symbolisierten Zivilreligion ja ein sehr gegenwärtiges Phänomen ist.

Mannigfache Popkultur-Zitate aus den siebziger Jahren

Ihren ersten Auftritt hatten die Minions in „Ich – Einfach unverbesserlich“ (im Original: „Despicable Me“, 2010), einem computeranimierten Kinderfilm über einen Oberschurken mit russischem Akzent und russischer Rabenmutter. Er heißt Gru und wandelt sich im ersten Teil einer Trilogie ganz kindgerecht vom Saulus zum Paulus. Man will ja die armen Kleinen nicht mit falschen Vorbildern auf inkorrekte Wege locken.

Neben den drei „Unverbesserlich“-Filmen, in denen der Ex-Schurke die Hauptfigur ist, gab es für die Minions 2015 erstmals einen Auftritt in einem eigenen großen Animationsabenteuer. Nun ist ein zweites hinzugekommen. Es erzählt die Vorgeschichte zu „Ich – Einfach unverbesserlich“. Endlich dürfen die jugendlichen Zuschauer erfahren, wie Gru und seine gelben Helferlein im Jahr 1976 zueinanderfanden. Ersterer ist zu dem Zeitpunkt noch ein zwölfjähriger Schuljunge und fällt im Unterricht durch den ungewöhnlichen Berufswunsch Schwerverbrecher auf. 

Der Traum, zum Anführer der mächtigsten Schurkenbande der Welt aufzusteigen, rückt seiner Verwirklichung näher, nachdem „Die fiesen 6“ ihren alten Boß, die Kampfsportlegende Wilder Knöchelknacker (deutsche Stimme: Thomas Gottschalk), abserviert und den von ihm erbeuteten Zodiac-Stein an sich gebracht haben. Ganz ohne Frauenquote, aber trotzdem identitätspolitisch korrekt rückt die negroide Kampfemanze Disco-Donna, die in lila Klamotten auf einem lila Motorrad durch die Gegend kurvt, auf den Führungsposten bei den Fiesen vor. Gru bewirbt sich auf die frei gewordene Stelle von Fiesling Nummer sechs. Doch die lila Kuh lehnt die Bewerbung des Minderjährigen ab mit der Begründung: „Das Böse ist für Erwachsene.“ Klein-Gru verbündet sich nach dieser Enttäuschung mit dem Knöchelknacker und stellt in seinem Auftrag dem Zodiac-Stein nach, der magische Mutationsmacht verleiht und jedem Oberschurken sein heimtückisches Handwerk noch leichter macht. Als Gru entführt wird, müssen die gelben Latzhosenträger ran, um ihren Mini-Boss zu retten. 

Kung-Fu-Welle, Steven Spielbergs „Der weiße Hai“ und Sylvester Stallones „Rocky“, die Satire-Zeitschrift Mad und Lieder im Siebziger-Jahre-Stil wie das eigens für den Film produzierte „Turn up the Sunshine“ von Diana Ross: mannigfach sind die Popkultur-Zitate, die Regisseur Kyle Balda eingebaut hat. Wen jedoch als erwachsene Begleitperson weder die vielen Siebziger-Referenzen noch die im genreüblichen Finale furioso gipfelnden Trick-Effekte zu begeistern vermögen, der muß sich wohl die Zeit damit vertreiben, die im Film versteckten Regenbögen zu zählen, Disco-Donnas Devise getreu: „Das Böse ist für Erwachsene.“

Kinostart ist am 30. Juni 2022