© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

Die Ukrainer sind die neuen Ungarn und Tschechen
Abtrünnige Satrapie
(dg)

Rußlands Geschichtspolitik steuert seit Jahren auf einen neuen Kurs: für eine mentale Vorbereitung auf einen „revanchistischen Angriffskrieg zur Wiederherstellung des Moskauer Imperiums“. Vieles deutet darauf hin. So die Gründung der Rußländischen Historischen sowie der Rußländischen Militärhistorischen Vereinigung, die beide 2012 mit dem Auftrag geschaffen wurden, geschichtspolitische Aktivitäten zu bündeln, vom Bau zahlloser patriotischer Denkmäler bis zur Organisation paramilitärischer Ferienlager. Solche zentralen Stellen zur Verwaltung des kollektiven Gedächtnisses existierten selbst in der Sowjetunion nicht. Und doch gibt eine genauere Analyse von Putins Geschichtspolitik für den Potsdamer Historiker Mischa Gabowitsch für diese Deutung wenig her (Blätter für deutsche und internationale Politik, 5/22). Trotz Putins „bizarrer Rhetorik“ von der „Entnazifizierung der Ukraine“ spiele gerade das gängige Narrativ vom „Großen Vaterländischen Krieg gegen den Hitlerfaschismus“ nur eine Nebenrolle bei der ideologischen Rechtfertigung dieser „Spezialoperation“. Moskau orientiere sich vielmehr an der Niederschlagung antikommunistischer, „faschistisch“ genannter Aufstände in Ostmitteleuropa. Insofern werde die Ukraine wie einst Ungarn (1956) und die Tschechoslowakei (1968) als eine abtrünnige Satrapie behandelt. 


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