© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

„Ein Reich des Rechts, des Friedens und der Freiheit“
Nachkrieg: Im Sommer 1947 gründete Hubertus Prinz zu Löwenstein die Deutsche Aktion
Karlheinz Weißmann

Im Sommer 1947 – das genaue Datum ist nicht bekannt – gründete Hubertus Prinz zu Löwenstein mit einigen Gefolgsleuten die Deutsche Aktion (DA). Um dem Lizenzzwang zu entgehen, beließ man es beim informellen Zusammenschluß; die offizielle Konstituierung fand erst am 3./4. Dezember 1949 statt. In ihren „Grundsätzen“ hieß es: „Die Deutsche Aktion fordert 

1. die Einheit des Deutschen Reiches in seinen historischen Grenzen und eine starke, vom Volke getragene Reichsgewalt;

2. das Recht der Vertriebenen auf Rückkehr in ihre Heimat und auf internationale Hilfe während der Zwischenzeit;

3. die Freiheit des Volkes in seinem Reiche unter Verwerfung jedes totalitären Staatsbegriffs;

4. die volle deutsche Souveränität (Staatshoheit) in der Innen- und Außenpolitik und im Wirtschaftsleben;

5. die Aufhebung jeder Besatzung im Reichsgebiet um des Friedens und der Völkerverständigung willen;

6. einen abendländischen Bund als die geschichtliche, rechtliche und wirtschaftliche Gemeinschaft freier, in ihrem Gebiet ungeschmälerter Nationen.“

Die DA war überparteilich und das, was man später eine pressure group und heute eine Nichtregierungsorganisation nennen würde. Ihre Struktur blieb schlank, als wichtigstes Instrument nutzte sie die Mobilisierung ad hoc, und der entscheidende Erfolgsfaktor dürften das Geschick und der Elan Löwensteins gewesen sein. Löwenstein, 1906 geboren, entstammte dem katholischen Hochadel und war der merkwürdige Fall eines demokratischen „Georgeaners“. Das heißt, er gehörte in den zwanziger Jahren zum Umfeld des Dichters Stefan George und übernahm aus dessen Weltanschauung vor allem eine emphatische Idee der deutschen Sendung. Gleichzeitig hatte Löwenstein sich dem Zentrum und dem Wehrverband Reichsbanner angeschlossen, das in erster Linie Mitglieder seiner Partei, Sozialdemokraten und Liberale rekrutierte und in offener Gegnerschaft zu den Republikfeinden stand. Nach Hitlers Machtergreifung ging Löwenstein in das Saarland, das damals unter Völkerbundsmandat stand, und floh schließlich mit seiner Familie nach Amerika.

Während der Zeit in der Emigration kritisierte Löwenstein die Vorstellung einer deutschen Kollektivschuld und warnte davor, die Fehler des Versailler Vertrages zu wiederholen; sein scharfer Protest gegen den Morgenthauplan führte zum Bruch mit Thomas Mann. Bereits im Herbst 1946 kehrte Löwenstein nach Deutschland zurück und suchte nach Möglichkeiten, am Wiederaufbau mitzuwirken. Der Deutschen Aktion sollte deshalb eine wichtige Rolle zukommen und in erster Linie dazu beitragen, die Rehabilitierung des deutschen Volkes voranzutreiben, aber auch durch praktischen Einsatz der Weltöffentlichkeit vor Augen führen, welches Schicksal der entmutigten und verelendeten Bevölkerung drohte. Die Demontagemaßnahmen und die – damals noch als vorläufig betrachteten – Grenzregelungen hielt Löwenstein für inakzeptabel. Was ihm vorschwebte, war die Wiederherstellung des deutschen Territorialbestandes von 1918 und ein Ausgleich mit den Nachbarn im Westen wie im Osten, um sein Hauptziel – „Ein Reich des Rechts, des Friedens und der Freiheit“ – zu verwirklichen.

Die Deutsche Aktion führte seit 1948 Publikumsveranstaltungen durch, die ersten, bei denen in der Nachkriegszeit die Farben Schwarz-Rot-Gold gezeigt wurden. Außerdem ließ die DA ein juristisches Gutachten erstellen, das am 15. Januar 1950 als „Göttinger Erklärung“ erschien, ergänzt um den Untertitel „Das Deutsche Reich hat nicht kapituliert“. Der Text stellte fest, daß Deutschland als Völkerrechtssubjekt keineswegs erloschen sei, sondern in Gestalt der Bundesrepublik fortbestehe. Eine Feststellung, die Löwenstein scharfe Angriffe eintrug. Man warf ihm „Nationalismus“ vor, was auf seiner Seite aber nur die Verachtung für die „Servilität“ jener Deutscher nährte, die sich zuerst dem NS-Regime und nun den Siegermächten andienten.

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde die DA erst bekannt, als am 29. Dezember 1950 einige ihrer Mitglieder unter Führung Löwensteins die Insel Helgoland „besetzten“, um so deren vollständige Zerstörung durch die Bombenabwürfe der Royal Air Force zu verhindern. Gerade weil Löwenstein wußte, wie sehr das die britische Seite reizen mußte, tat er alles, um das Abgleiten des Vorgehens seiner meist jugendlichen Anhänger in ein „Indianerspiel“ zu verhindern. Sein Handlungsmuster war der passive Widerstand Gandhis. Als Sprecher der „Invasoren“ verhandelte er schließlich mit einer britischen Delegation, die am 2. Januar 1951 in Begleitung von westdeutschen Polizisten erschien und die Räumung durchsetzte.

Obwohl Großbritannien die Bombardierungen danach wieder aufnahm, war die „Aktion Helgoland“ der DA letztlich ein Erfolg. Das hatte vor allem damit zu tun, daß sie eine breite Protestbewegung auslöste. Im Januar 1951 verabschiedete der Bundestag sogar eine einstimmige Erklärung, in der die Rückgabe der Insel gefordert wurde. Die britische Regierung suchte zwar den Eindruck zu vermitteln, daß sie die Kontrolle Helgolands aufrechterhalten wolle, sah sich aber letztlich zum Nachgeben gezwungen. Am 1. März 1952 wurde Helgoland Teil des Bundesgebietes. Damit war das entscheidende Ziel der „Aktion Helgoland“ erreicht. Für Löwenstein handelte es sich allerdings nur um einen Schritt, dem ein weiterer folgte, als die Helgoländer, die von den Briten gezwungen worden waren, ihre Insel zu verlassen, zurückkehren durften: „Im Rechte der Helgoländer“, schrieb er, „wird das Recht aller Heimatvertriebenen verteidigt.“ Es sei deshalb immer um mehr gegangen als die Rettung der Insel. „Helgoland“ sollte zur Chiffre werden für „die zwölf Millionen Deutschen, die aus den Provinzen östlich der Oder-Neiße-Linie ausgetrieben wurden“.

Typisch für Löwensteins idealistisches Politikverständnis war, daß er sogar die Überwindung des „Haßkomplexes“ auf der Siegerseite und eine deutsch-britische Verständigung erhoffte, die die Wiedervereinigung unter Einschluß der Ostgebiete vorbereiten würde. Als nächsten Schritt auf dem Weg dahin betrachtete Löwenstein die Rückkehr des Saargebiets, das Frankreich nach dem Zusammenbruch von 1945 ein weiteres Mal aus Deutschland herauszulösen suchte. Für die DA war die „willkürlich gezogene Saargrenze … die Oder-Neiße-Linie des Westens“, und sie engagierte sich im Rahmen der „Aktion Saar“ vor allem durch – regelmäßig aufgelöste – Versammlungen, die Produktion von Flugblättern und Druckschriften sowie die Herausgabe der – rasch verbotenen – Deutschen Saarzeitung.

Die FDP als bester Garant für die Vertretung deutscher Interessen

Der wichtigste Ansprechpartner der Deutschen Aktion war in diesem Fall die Demokratische Partei Saar (DPS). Da die deutschen Parteien im Saargebiet zeitweise verboten waren, agierte die DPS faktisch als Entsprechung der Freien Demokraten, für die Löwenstein seit 1953 im Bundestag saß. Die Entscheidung zugunsten der FDP – trotz Löwensteins Herkunft aus dem Zentrum – hatte ihre wesentliche Ursache darin, daß er in ihr den besten Garanten für die Vertretung der deutschen Interessen sah. Löwenstein hatte besonders enge Verbindungen zu dem nationalliberalen Friedrich Middelhauve, Vorsitzender der nordrhein-westfälischen FDP und zeitweise stellvertretender Bundesvorsitzender. Nach dessen Rückzug und wegen der schwankenden Haltung der Freien Demokraten angesichts des Ungarnaufstands von 1956 kam es zum Bruch mit der Bundestagsfraktion. Löwenstein trat zur konservativen Deutschen Partei über und schloß sich nach deren Auflösung der CDU an, wandte sich allerdings bald von der Parteipolitik ab. Auch die Deutsche Aktion hatte seiner Auffassung nach erreicht, was mit ihr zu erreichen war und wurde 1957, zehn Jahre nach ihrer Gründung, aufgelöst.