© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/22 / 01. Juli 2022

Frisch gepreßt

Menschendämmerung. Verschwörer sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Planten sie früher ihre Attentate, Staatsstreiche oder schlicht die Eroberung der „Weltherrschaft“ im geheimen, verbreiten sie heute multimedial, für jedermann zugänglich, was sie im Schilde führen. So wie die Post- und Transhumanisten, die zwischen Davos und Silicon Valley an der „Großen Transformation“ arbeiten. Leon Wilhelm Plöcks, ein Autor unter Pseudonym, mußte daher nur noch das Material aus den Büchern und Programmen der redseligen Milliardärs-Kaste in einen übersichtlichen Zusammenhang bringen, um wache Zeitgenossen darüber zu informieren, welche düstere Zukunft sie in der Klaus-Schwab-Welt erwartet. In dieser neuen Normalität atomisierter Menschenkonglomerate haben Freiheit und Eigenverantwortung keinen Platz mehr, genauso wenig wie Familie, Heimat, Nation. Es ist die Endstufe dessen, was Karl Marx aus der kapitalistischen Logik herleitete: „Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht …“ Daß dieser Prozeß auf die Vertreibung des Menschen aus der realen in eine von kybernetischen Kontroll- und Steuerungsmechanismen beherrschte virtuelle Welt, auf seine Ersetzung durch künstliche Superintelligenz zulaufen würde, wie Plöcks darlegt, konnte der am Menschenbild des Neuhumanismus à la Goethe und Humboldt orientierte Marx freilich nicht einmal ahnen. Die Lektüre dieses lichtvollen Werkes ist nicht ohne Nebenwirkungen wie Ohnmachtsgefühle zu haben, die sich zu Depressionen auswachsen könnten. (dg)

Leon Wilhelm Plöcks: Menschendämmerung. Corona und die Große Transformation. Manuscriptum Verlagsbuchhandlung, Neuruppin 2022, gebunden, 379 Seiten, 29 Euro





Land der dunklen Wälder. Der spätere Repräsentant der Inneren Emigration, Ernst Wiechert, fremdelte mit seinem finsteren Frühwerk „Totenwolf“ von 1924, dieses sei in einem „unheilvollen Rausch“ geschrieben worden. Dabei spiegelt die nun als Neuauflage vorliegende Geschichte des in masurischer Abgeschiedenheit aufgewachsenen Wolf Wiedensahl viele Stationen der Vita des 1887 in Sensburg geborenen Schriftstellers. So wie dieser, der gegen seinen Willen aus der Idylle düsterer ostpreußischer Wälder und Moore in die Zivilisation gezerrt wird, aus dessen perversem Exzeß der Schlachtfelder im Ersten Weltkrieg er desillusioniert zurückkommt, fand auch Wiechert in den Nachkriegsjahren, durch Schicksalsschläge gebeutelt, nicht mehr seine Heimat wieder. Der anderen Welt, geprägt durch geistlose Dekadenz, kann sein Protagonist, der „am Vaterland kranke“ und dem Glauben entfremdete „Totenwolf“ nur mehr seine Abscheu entgegenbringen. (bä)

Ernst Wiechert: Der Totenwolf. Roman. Lindenbaum Verlag, Beltheim-Schnellbach 2022, broschiert, 230 Seiten, 18 Euro