© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/22 / 08. Juli 2022

Nato-Gipfel in Madrid
Alle freuen sich, nur Europa nicht
Albrecht Rothacher

Beim G7-Gipfel im bayerischen Bad Elmau und dem folgenden Nato-Treffen in Madrid schien die Welt noch in Ordnung. Die Nato erweiterte die Nordflanke, proklamierte ein neues strategisches Konzept, zeigte sich mit großzügigen Wortspenden solidarisch mit der Ukraine, feierte die internationale Isolation des Kremls und wie üblich auch sich selbst. 

Fast zeitgleich jedoch organisierte China einen virtuellen Gipfel der BRICS-Staaten mit Brasilien, Rußland, Indien und Südafrika. Es brodelt in der Welt, eine neue Bipolarität bahnt sich an. Fast alle BRICS-Teilnehmer hat die Leichtigkeit erschreckt, mit der der Westen russische Devisen von über 300 Milliarden Dollar einfrieren konnte. Deshalb will man jetzt als Alternative zum Dollar als Weltwährung einen gemeinsamen Währungskorb als internationales Zahlungsmittel einführen, in dem der Yuan eine entscheidende Rolle spielen soll. 

Tatsächlich fahren China, Indien, aber auch die als Gäste teilnehmenden Entwicklungsländer von Indonesien bis Ägypten sehr gut mit der westlichen Sanktionspolitik. Sie beziehen russisches Öl zu einem um ein Drittel diskontierten Preis von 80 Dollar pro Barrel, das Indien zum Beispiel hochprofitabel als raffiniertes Benzin, Diesel und Kerosin nach Europa zurückexportiert. Spritpreise sind in jenen Schwellenländern ein ebenso explosives Politikum wie die Getreidepreise. Auch Rußland fährt trotz erhöhter Transportkosten bei jedem Ölpreis über 40 Dollar weiter Rekordgewinne ein – trotz oder vielmehr wegen einer verminderten Produktion. Alle freuen sich. Nur die Europäer sowie die Japaner, Koreaner und natürlich die Ukrainer bezahlen die Zeche.