© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/22 / 08. Juli 2022

Grüße aus … Skopje
Der offene Balkan
Hans-Jürgen Georgi

Anfang Juni waren im nordmazedonischen Ohrid besonders viele Polizisten zu beobachten und auch an der Straße zur nahe gelegenen Grenze zu Albanien hatten alle 500 bis 1.000 Meter Polizisten Beobachtungsposten bezogen. Auch an der kleinen, dicht mit Lebensmitteln vollgepackten Verkaufsstelle im Ort Trpejca stand ein Polizist. Auf die Frage nach der Polizeipräsenz antwortete einer der jugendlichen Kunden, in der Nähe fände ein Nato-Treffen statt. Von der Chefin des kleinen Geschäfts wurde er aber verbessert, es sei ein Gipfeltreffen des „Open Balkan“.

Diese Initiative ging im Jahr 2017 vom serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić  aus und sollte eine engere Zusammenarbeit der Staaten des Westbalkans fördern, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet. Da diese Zusammenarbeit auf den Grundsätzen der EU basieren sollte, freier Verkehr von Menschen, Waren, Dienstleistungen und Kapital, nannte sie sich auch „Mini-Schengen“. 

Zwar gibt es noch einige „faule Zähne“ im Gesicht der Stadt, aber sonst hat sie den Sozialismus gut überstanden. 

Was er denn wüßte über den „Open Balkan“, wurde einer der Jugendlichen in der Verkaufstelle gefragt. Nichts, lautete seine Antwort, und es interessiere ihn auch nicht. 

Sollte ihn aber. Denn auf diesem Gipfeltreffen, an dem erstmals auch der Premier Montenegros und ein Vertreter Bosnien-Herzegowinas als Beobachter teilnahmen, wurde unter anderem eine vertiefte Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bildung, der Kultur und des Tourismus vereinbart. 

Ohrid ist das Touristengebiet Nordmazedoniens. Schon in einem Fremdenführer von 1965 wurde Ohrid wegen des Sees, der vielen Klöster und anderer kulturhistorischer Denkmäler als „wichtigster Fremdenverkehrsort Mazedoniens und eine sehr beliebte Sommerfrische“ beschrieben. Das wußte auch der jugoslawische Staatschef Tito zu schätzen. Er hatte am Ufer des Sees eine Villa. Heute steht sie dem mazedonischen Präsidenten zur Verfügung. 

Wie damals ist Ohrid, drei Autostunden von der Hauptstadt Skopje entfernt, auch heute ein Erholungsort. Die Uferpromenade ist schon in der Vorsaison, besonders am Abend, von Einheimischen, aber auch von ausländischen Touristen sehr gut besucht. Zwar gibt es noch einige „faule Zähne“ im Gesicht der Stadt, aber sonst hat Ohrid den Sozialismus und die Zeit danach gut überstanden. 

Wie gut die Initiative „Open Balkan“ die jetzigen Zeiten übersteht, wird sich noch in diesem Jahr zeigen. Anfang des nächsten Jahres soll es keine Kontrollen an den Grenzen und einen freien Markt für Arbeitskräfte geben. Unterstützung erhält „Open Balkan“ von den USA, während die EU eine gewisse Zurückhaltung zeigt. Bundeskanzler Olaf Scholz, der gerade eine Westbalkantour absolvierte, möchte diese Länder lieber in den Berliner Prozeß eingebunden sehen, also mehr unter Kontrolle der EU.