© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/22 / 08. Juli 2022

Die „nachhaltigen“ Aktienfonds erzielen keine besseren Renditen
Tiefe Kratzer im grünen Lack
Thomas Kirchner

Mit den Bärenmärkten offenbaren sich die Anlageexzesse der vergangenen Jahre. Nach den Crashs italienischer Staatsanleihen, überteuerter Techaktien und fragwürdiger Kryptowährungen (JF 26/22) geht es jetzt auch nachhaltigen Anlagen (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung/ESG) an den Kragen. Im Mai war Tesla aus dem Aktienindex S&P 500 ESG geworfen worden, woraufhin Elon Musk seinen 100 Millionen Twitter-Followern mitteilte, nachhaltige Anlagen wären ein Betrug und würden von Aktivisten als Waffe mißbraucht. Zudem war das der Monat mit zwei Milliarden Dollar an Abflüssen aus ESG-Anlagen – nach zuvor durchschnittlich drei Milliarden an monatlichen Zuflüssen. Dann gab es eine Razzia bei der Deutschen Gesellschaft für Wertpapiersparen (DWS) wegen angeblichen Greenwashings, während der ESG-Chef der HSBC-Bank suspendiert wurde, weil er vor grüner Übertreibung warnte.

Dank der niedrigen Ölpreise und schlecht laufender Energieaktien konnten Ökoaktivisten jahrelang institutionelle Anleger überzeugen, daß grüne Anlagen bessere Renditen erzielen. Doch seit zwei Jahren steigen Energiepreise und -aktien, und nachhaltige Anlagen laufen unterdurchschnittlich. Jetzt merken frustrierte Anleger, daß sie den Energiesektor untergewichtet hatten: ExxonMobile beispielsweise hat sich seit Juli 2020 verdoppelt, die ESG-Variante des S&P 500 Index nur um 20 Prozent zugelegt. In diesem Jahr liegt der S&P Energieindex mit 31 Prozent im Plus, der normale S&P mit 20 Prozent im Minus. Inzwischen werden 77 Prozent aller Fonds weltweit als „nachhaltig“ eingestuft.

Doch es ist klar, daß dies praktisch unmöglich ist. Also werden die Zahlen geschönt (Greenwashing). Mit diesem Vorwurf sind zahlreiche Vermögensverwalter konfrontiert. Die Bank of New York zahlte deswegen eine Strafe von 1,5 Millionen Dollar. Spektakulärer sind die Vorgänge bei der Deutschen Bank. Die Chefin für ESG-Anlagen der Fondstochter DWS wurde entlassen und ging mit der Behauptung an die Öffentlichkeit, man übertreibe die Höhe der ESG-Anlagesumme (JF 26/22). Anleger scheinen dadurch allerdings nicht geschädigt worden zu sein – angesichts des Renditeunterschieds der ESG-Anlagen dürften sie sogar besser dastehen. Dennoch durchsuchten Staatsanwaltschaft und die Finanzaufsicht BaFin medienwirksam die Geschäftsräume.

Das genau entgegengesetzte Drama ereignete sich bei der britischen HSBC. Deren ESG-Chef Stuart Kirk hatte von „unbegründeten, parteiischen, eigennützigen und apokalyptischen Warnungen“ im Zusammenhang mit Klimawandel gesprochen und bezweifelte die langfristige Wirksamkeit kurzfristiger ESG-Anlageentscheidungen. Argumentativ war Kirk zwar Musks Kritik überlegen, doch löste seine Häresie einen Sturm der Entrüstung aus. HSBC suspendierte Kirk. Überhaupt scheinen Anleger weit weniger scharf auf ESG zu sein als Anbieter und Behörden. Eine Nichtregierungsorganisation stellte bei einer Untersuchung in sieben EU-Ländern mit Entsetzen fest, daß die meisten Anlageberater ihre Kunden nicht nach deren ESG-Präferenzen fragen.

In den vergangenen Jahren war das für den Geldbeutel der Kunden jedenfalls auch gut so. Doch ab August müssen die Finanzberater ihren Kunden ESG-Produkte anbieten. Erfahrungsgemäß sind im Privatkundengeschäft die Anlageerfolge der letzten zwei bis drei Jahre entscheidend. ESG-Anlagen dürften es deshalb in diesem Segment schwer haben.