© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/22 / 08. Juli 2022

Nicht alles auf eine Karte setzen
Autoindustrie: BMW-Chef warnt vor Technologieverboten / EU-Umweltminister schließen synthetische Kraftstoffe nicht mehr ganz aus
Paul Leonhard

Oliver Zipse fand klare Worte in seinem Kampf gegen das drohende Verbot von Verbrennungsmotoren: „Vielfalt und Innovationen – nicht aber Verbote – haben Deutschland als Industriestandort immer stark gemacht“, mahnte der BMW-Chef. Doch nach 16stündiger Nachtsitzung einigten sich die 27 EU-Umweltminister darauf, daß ab 2035 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge nur dann neu zugelassen werden, wenn sie „emissionsfrei“ fahren. Das klingt nach einem endgültigen Aus für Benzin- und Dieselmotoren sowie einem Erfolg für Audi-Chef Markus Duesmann, der ab 2026 nur „noch rein-elektrische Modelle neu auf den Markt bringen“ will.

Hatte doch der Ex-BMW-Vorstand vor dem Ministertreffen in der Wirtschaftswoche eine „beschleunigte Energiewende“, einen „ambitionierten CO2-Preis“ und grünes Durchregieren verlangt: Wichtig sei, „daß die ambitionierten politischen Ziele auch durch entsprechende regulative Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten unterlegt werden“, so Duesmann. Immerhin bezieht sich all das nur auf Neuzulassungen, kein führender EU-Politiker hat bislang ein Verbot für die auf den Straßen befindlichen Autos mit Verbrennungsmotor gefordert. Und die beschlossene EU-Regulierung läßt eine kleine Hintertür für Zipses Innovationen offen: „klimaneutrale“ synthetische Kraftstoffe (E-Fuels), die mittels Ökostrom aus Abfallstoffen, Wasserstoff und CO2 herstellt werden. EU-Kommissionsvize Frans Timmermans hält das zwar für unrealistisch, aber „wenn die Hersteller in der Zukunft das Gegenteil beweisen können, werden wir offen sein“.

Dieser EU-Kompromiß, der das völlige Verbrennerverbot des EU-Parlaments entschärft (JF 25/22), ist nicht nur den Osteuropäern und den Rechtsfraktionen, sondern auch der FDP zu verdanken. Denn auf deren Intervention hin mußte Kanzler Olaf Scholz seine grüne Umweltministerin Steffi Lemke zurückpfeifen, die für ein klares Verbot von Verbrennungsmotoren stimmen wollte. Doch nicht nur die AfD, auch Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament ist skeptisch: Die Kommission werde lediglich gebeten, beim geplanten Aus für Verbrenner-Motoren ab 2035 Ausnahmen etwa für synthetische Kraftstoffe zu prüfen. Dieser „Erwägungsgrund“ sei aber rechtlich nicht verbindlich, warnte der CDU-Politiker im „Deutschlandfunk“.

Auch der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, bezeichnete das geplante komplette Verbrenner-Aus als einen „fatalen Fehler“, da damit die EU „den nächsten technologischen Sprung der Verbrenner in eine CO₂-freie Zukunft vorsätzlich anderen Regionen der Welt“ überlasse. Doch die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler hatte vergeblich an die Bundesregierung appelliert, „nicht vorschnell Technologien aus dem Markt zu drängen, die Alternativen zum Elektroauto werden können“. Man wisse noch gar nicht, welche Entwicklungssprünge synthetische Kraftstoffe eventuell machten.

Doch blickt man in wichtige Nachbarländer, dann scheinen Audi-Visionär Duesmann sowie die Chefs von VW und Mercedes, Herbert Diess und Ola Källenius, auf dem richtigen Weg zu sein: Die Regierungen in Großbritannien, Schweden, Dänemark, die Niederlande, Belgien und Österreich wollen schon 2030 aus dem Verbrenner aussteigen. Norwegen, wo E-Autos seit Jahren massiv gefördert und Verbrenner mit hohen Steuern belastet werden, will das Verbrenner-Aus schon 2025. Auch der „woke“ US-Bundesstaat Kalifornien, bis 2021 Unternehmenssitz des E-Auto-Herstellers Tesla, will auch ab 2035 den Verkauf von Verbrennern verbieten. Doch in der übrigen Welt sieht es bislang ganz anders aus – und das hat BMW verstanden.