© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/22 / 08. Juli 2022

Moralismus polarisiert und verengt Diskurse
Freund-Feind-Denken
(tha)

Wer in öffentlich geführten Debatten auf den Anspruch der eigenen moralischen Überlegenheit verweist, zielt darauf ab, „eine als vermeintlich unmoralisch argumentierende Person aus dem Diskurs auszuschließen“, beklagt der Politikwissenschaftler und ehemalige Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin Wolfgang Merkel. Dies könne „Coronaleugner“ und „Klimaleugner“ betreffen, schreibt er in seinem Essay „Die nervöse Republik“ (Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte 6/2022). Darin geht er der Frage nach, wie sehr die Moralisierung von Konflikten gesellschaftliche Diskurse polarisiert und verengt. Sie dienten dann nicht mehr der Selbstverständigung einer pluralistischen Gesellschaft, „sondern reißen Gräben auf, bringen Brücken zum Einsturz, befestigen unversöhnliche Meinungslager und höhlen den Gemeinschaftssinn der Zugehörigkeit zu unserer Gesellschaft aus“. Hauptsächlich treibt den Autor um, ob Deutschland „mehr, schneller und schwerere“ Waffen an die Ukraine liefern soll und ob dieser Disput eine weitere Runde der „diskursiven Exklusion“ einläutet. Dazu stellt er fünf Thesen auf und beschreibt die Argumentationen zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Allerdings hörten beide Seiten sich weniger zu, als daß sie versuchten, die jeweils andere als „politisch naiv und unmoralisch zu diskreditieren“. Diese Transformation der politischen Kommunikation gießt laut Merkel „Krisennarrative in die Form des Freund-Feind-Denkens“. Dieses werde nicht nur von „rechten Verehrern“ Carl Schmitts als „Essenz des Politischen“ begriffen, sondern auch von linksliberalen Strömungen. 


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