© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/22 / 08. Juli 2022

Gerangel in der Opferhierarchie
Rafia Zakaria beklagt einen „weißen Feminismus“
Zita Tipold

Feminismus meinte einst den Kampf um die Gleichberechtigung von Frauen. Es ging um Wahlrecht, Chancengleichheit und Anerkennung. Heute wird der Begriff zunehmend „intersektional“ verwendet und auf andere Gruppen ausgeweitet. So rückte zuletzt verstärkt das Thema Rassismus in den Fokus. Grund dafür sei eine angebliche doppelte Diskriminierung, die schwarze Frauen erführen. Die Anwältin und Autorin Rafia Zakaria warnt davor, die Diskriminierung von Frauen aufgrund ihrer Herkunft, im Kampf um Gleichberechtigung außen vor zu lassen. Lange seien die Bedürfnisse und Lebensrealitäten von schwarzen, asiatischen und indigenen Frauen im feministischen Milieu nicht berücksichtigt worden. 

Tonangebend seien weiße Bürgerliche aus zumeist westlichen Nationen, deren Blick kaum über den eigenen Erfahrungshorizont hinauskomme. Die Privilegien aufgrund ihrer Hautfarbe akzeptierten sie, verhülfen sie ihnen doch zu gesellschaftlicher Macht. Dieses Phänomen bezeichnet Zakaria als „weißen Feminismus“. Es geht ihr dabei weniger um die Hautfarbe als vielmehr um das Verhalten. „Man muß nicht weiß sein, um eine weiße Feministin zu sein“, schreibt sie in ihrem Buch „Against White Feminism“. Es gehe um Überzeugungen aus dem Milieu des westlichen Feminismus, dem vorrangig Frauen heller Hautfarbe angehörten. Auch Schwarze könnten solche übernehmen. 

Zakaria stammt aus Pakistan und kam mit 17 Jahren mittels einer arrangierten Ehe in die USA, um dort zu studieren. Mit 25 Jahren verließ sie ihren Mann und flüchtete mit ihrem Kind vor ihm in ein Frauenhaus. Ein wiederkehrendes Motiv des „weißen Feminismus“ ist ihr zufolge der selbstgefällige Versuch, vermeintlich unterdrückte Frauen aus anderen Kulturen zu retten. In der Folge kreierten sie ein Bild von weißen Frauen als starken Kämpferinnen und Migrantinnen als wehrlosen Opfern. Nicht selten suchten sie das Problem in der Kultur von Mosleminnen, wenn diese häusliche Gewalt erführen und verstärkten so rassistische Vorurteile. 

Um die „Spaltung zwischen denjenigen, die Theorien und Strategien entwickeln und denjenigen, die die Wunden und Narben des Kampfes tragen“ zu überwinden, plädiert Zakaria dafür, die „Privilegien und Überlegenheiten“, die aus der „weißen Vorherrschaft“ resultierten, zu bekämpfen. Einmal mehr zeigt sich an ihren Ausführungen: Dem „Kampf gegen Rassismus“ soll höchste Priorität beigemessen werden. Engagement für gesellschaftliche Themen wird nur mit antirassistischer Abbitte akzeptiert. Gleichzeitig führt sie aber auch treffend die Ignoranz hiesiger Feministinnen vor, die sich auf „Wohlfühlthemen“ konzentrieren und für die Realität wirklich unterdrückter Frauen blind sind. 

Rafia Zakaria: Against White Feminism. Wie weißer Feminismus Gleichberechtigung verhindert: Carl Hanser Verlag, München 2022, broschiert, 256 Seiten, 18 Euro