© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/22 / 08. Juli 2022

Frisch gepreßt

Das Jahr 1923. Für den Blick auf die jüngere deutsche Geschichte setzt sich der am University College Dublin tätige Mark Jones gern die Brille des Amateurhistorikers Frank-Walter Steinmeier auf. So war es bei seiner Darstellung im Jahr 2017 der Novemberrevolution und der Anfangsjahre der Weimarer Republik, so ist es in seinem jüngsten Buch über das deutsche „Schicksalsjahr“ 1923. Auch hier will Jones in Weimar vieles wiedererkennen, was ihm aus der Wahrnehmung der Berliner politischen Klasse vertraut ist: Überall waren auch damals schon „Hetzer und Spalter“ am Werk, „Populisten“, die „Falschmeldungen und Lügen“ verbreiteten und sich dabei in den „Mantel konservativer Seriosität“ hüllten. So stellt Jones heutige Kritiker bundesdeutscher Katastrophenpolitik aus dem „Phänomenbereich Delegitimierung des Staates“ in die Kontinuität der Mörder Walther Rathenaus. Aber in dem Werk ist nicht alles derart schlicht, wie es im ersten Kapitel zu werden droht. Als braver Chronist spult er den aus dem Schulunterricht bekannten Faden ab: Ruhrbesetzung, Inflation, linke Aufstände in Hamburg und Mitteldeutschland, der Putschversuch Adolf Hitlers am 9. November 1923. Lesenswert sind jedoch drei Kapitel über den Besatzungsterror des französischen Militärs an Rhein und Ruhr. Wenn auch skrupulös, da es sich um „heikle Themen“ handle, dokumentiert er quellensatt die in Serie von französischen Soldaten an deutschen Frauen verübten Sexualverbrechen. Nur quantitativ hätten sie sich von den Massenvergewaltigungen der Roten Armee in Ostdeutschland 1944/45 unterschieden. (ob)

Mark Jones: 1923. Ein deutsches Trauma, Propyläen Verlag, Berlin 2022, gebunden, 384 Seiten, Abbildungen, 26 Euro





CSU. Nachdem er vor exakt einem Jahr seinem Vorsitzenden Markus Söder in einem Brief nach 52 Jahren Parteizugehörigkeit seinen Austritt mitteilte, hat CSU-Urgestein Florian Stumfall nun publizistisch Bilanz gezogen. So zeichnet der 1943 geborene Politikwissenschaftler und langjährige Bayernkurier-Redakteur den Weg einer seit vierzig Jahren den Freistaat beherrschenden und unter Führung von Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber sogar prägenden Institution nach, die in jüngster Zeit nur noch dazu befähigt war, Angela Merkels „Rechtsbrüche bei Grenzöffnung, Energiewende, Unterdrückung der Meinungsfreiheit und diversen Euro-Rettungen kritiklos mitzutragen“. Daß ein CSU-geführtes Bundesinnenministerium bereits 2019 den Weg in Richtung des aktuellen LGBTQ-„Selbstbestimmungsgesetzes“ einschlug, gab dem früheren Referenten von CSU-Landesleitung und Hanns-Seidel-Stiftung den Rest, um den heute die Partei prägenden Zeitgeistrittern adieu zu sagen. (bä)

Florian Stumfall: Ich will meine CSU zurück. Edition Stumfall, Hemau 2022, gebunden, 166 Seiten, 19,80 Euro