© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/22 / 08. Juli 2022

Umwelt
Schnelle PET-Zersetzung
Paul Leonhard

Im Juni haben sich mehrfach Verwirrte der „Letzten Generation“ zu Beginn des Berufsverkehrs auf Leipziger Straßen festgeklebt.Und da heutige Autofahrer feiger sind als ’89er Montagsdemonstranten, warteten sie geduldig, bis Polizisten die Klimapaniker wieder abgelöst hatten. Die fleißigen Forscher um Christian Sonnendecker (Institut für Analytische Chemie) haben so was keine keine Zeit. Denn die wollen wirklich was für die Natur tun – und waren nun erfolgreich: Im Laubkompost des benachbarten Südfriedhofs haben sie ein Enzym entdeckt, das PET-Verpackungen in Rekordzeit abbaut – zumindest im Laborversuch. PHL7 zersetzte den leichten Kunststoff innerhalb von 16 Stunden zu 90 Prozent. Natürlich hatten die Wissenschaftler um nicht auf gut Glück im gewühlt, sondern in einer Tiefe von 50 bis 70 Zentimetern, wo es bis beim Vergärungsprozesß von Pflanzen bis zu 70 Grad heiß wird.

Eine Supermarkt-Kunststoffschale für Obst ist künftig innerhalb von 24 Stunden „aufgelöst“.

Sieben hitzestabile Enzymen wurden gefunden und untersucht. PHL7 erwies sich dabei effizienter als Plastikzersetzer LCC, der 2012 in Japan entdeckt worden war. Dieses Bakterium Ideonella sakaiensis kann zwar PET-Flaschen verdauen, benötigt aber bei Temperaturen um die 30 Grad etwa sechs Wochen, um ein kleines PET-Stück zu zersetzen. Für die hohe Aktivität von PHL7 ist, so die 19 Forscher im Journal ChemSusChem (9/22), ein einziger Baustein verantwortlich: An der Stelle, wo andere polyesterspaltende Hydrolasen einen Phenylalanin-Rest enthalten, trägt es ein Leucin. Zersetzungsprodukte sind Terephthalsäure und Äthylenglycol, aus denen sich wieder neues PET herstellen läßt – ein geschlossener Kreislauf könnte also entstehen. Eine Supermarkt-Kunststoffschale ist innerhalb von 24 Stunden zersetzt. Die Leipziger Wissenschaftler suchen derzeit Partner in der Industrie, um die Plastikmüllflut einzudämmen. Bislang gibt es biologisches PET-Recycling nur in einer Pilot-Anlage in Frankreich.

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