© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/22 / 15. Juli 2022

Ländersache: Thüringen
Die Waffen nieder?
Peter Freitag

Thüringen will das vor zwei Jahren verschärfte Waffenrecht künftig besonders rigide auslegen. Innenminister Georg Maier (SPD) kündigte an, man wolle Jägern und Sportschützen im Freistaat, die Mitglied der AfD sind, unter Verweis auf ihre Parteizugehörigkeit, die Erlaubnis zum Besitz von Schußwaffen entziehen. Zu diesem Zwecke werde beim Landesverwaltungsamt eine Arbeitsgruppe „Waffen und Extremisten“ (AG WaffEx) eingerichtet, die den eigentlich dafür zuständigen Behörden in den Kommunen „bei der Bearbeitung relevanter Fälle“ helfen – sprich: auf die Finger schauen soll. 

Grundsätzlich, so betont der Innenminister, sei gegen die Mitglieder der AfD ein sogenanntes Widerrufsverfahren einzuleiten, wodurch die Verlängerung zum Beispiel eines Jagdscheins oder die Erneuerung einer Waffenbesitzkarte verhindert wird. Wer legal eine Schußwaffe sein eigen nennen möchte, muß verschiedene Voraussetzungen erfüllen, darunter die waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Bis zur jüngsten Verschärfung des Waffenrechts galt: Unzuverlässig ist, wer selbst aktiv Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung verfolgt. Mit der Neufassung des Paragraphen 5 des im Februar 2020 geänderten Waffengesetzes gilt als unzuverlässig bereits, wer in den letzten fünf Jahren Mitglied oder Unterstützer einer Vereinigung war, die Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung verfolgt (JF 46/21).

Dies sieht das Thüringer Innenministerium offensichtlich mit einer Mitgliedschaft im AfD-Landesverband als gegeben an, da der im Freistaat als „erwiesen rechtsextremistisch“ eingestuft wird. Demgegenüber beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz die Gesamtpartei lediglich als „Verdachtsfall“. Weswegen der AfD-Bundesvorstand per Mitgliederrundbrief im April auch noch einmal betont hat: „Eine Mitgliedschaft in der AfD führt nicht zur Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit.“ Genau das wird so in Thüringen eben nicht mehr gelten. Pauschal den AfD-Mitgliedern die Waffenbesitzkarte zu entziehen, hält der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner für juristisch unbedenklich. Es sei möglich, „daß Mitglieder von extremistischen oder gar verfassungsfeindlichen Parteien entwaffnet werden“, sagte er dem MDR. Zwar kommt es nach wie vor auf die Einzelfallprüfung durch die örtliche Behörde an. Geht man in Thüringen allerdings davon aus, daß mit dem AfD-Parteibuch auch grundsätzlich die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit verbunden ist, beschränkt sich in diesem Fall solch eine Prüfung darauf, ob im Einzelfall „atypische Umstände vorliegen, die die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit entkräften“, heißt es in einem juristischen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Dafür reiche aber weder eine strafrechtliche Unbescholtenheit oder ein langjähriger beanstandungsfreier Waffenbesitz noch der alleinige Parteiaustritt. Die Thüringer AfD warf dem Innenminister vor, er verwandele das Waffenrecht in ein „Ersatzstrafrecht gegen gesetzestreue Jäger und Sportschützen in der AfD“. Damit, so der Co-Landesvorsitzende Stefan Möller, setze Maier fort, „was er mit dem Mißbrauch des Dienstrechts zur Existenzvernichtung AfD-naher Beamter begonnen hat“.  

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