© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/22 / 15. Juli 2022

Grüße aus … Los Angeles
Die DDR in den USA besichtigen
Bernd Rademacher

Die weltweit umfangreichste Ausstellung zur Geschichte der DDR, des Kalten Krieges und der deutschen Wiedervereinigung steht nicht in Berlin und nicht in Leipzig, sondern in – Los Angeles! „The Wende-Museum“ zwischen Beverly Hills und Santa Monica zeigt auf viertausend Quadratmetern Exponate aus der DDR und der Sowjetunion von 1949 bis 1991.

Nach den Anfängen in einem Bürohaus eröffnete 2002 das Wende-Museum mit freundlicher Unterstützung des Stadtrates von Culver City/LA. In der Ausstellung sind heute rund 100.000 Alltags- und Konsumgegenstände aus dem „real existierenden Sozialismus“ zu sehen, Partei-Dekor, ganze Archive und Nachlässe, Fotos und Filme, Designobjekte und Stasi-Werkzeug. Und manche Skurrilität, unter anderem ein Porzellan-Zierteller, bemalt mit einer Legehenne und dem Schriftzug „Frauenförderungs-Ehrenpreis“. Unfreiwillige Komik oder hintergründiger Humor?

Die Schau wird ergänzt durch ein Zeitzeugen-Projekt: In zahlreichen gefilmten Interviews geben Zeitzeugen persönliche Einblicke in ihr Leben hinter dem Eisernen Vorhang. Unter ihnen etwa Punks aus Ost-Berlin, Hippies aus der UdSSR oder 70 politische Häftlinge aus Albanien. Aus dem riesigen Fundus stellen die Kuratoren immer wieder wechselnde Sonderausstellungen zusammen.

Im kommenden Jahr ist eine Nischenausstellung über die Tournee von David Bowie in der UdSSR geplant.

So wie aktuell „Flaggen & Banner“: Über zweitausend Exemplare sozialistischen Fahnenkultes besitzt das Museum, darunter Kuriositäten wie das Banner vom Kreispioniertreffen in Gotha 1968 „für gutes Lernen und sozialistische Taten“. Das Stofftuch im Format 1,10 mal 1,30 Meter mit goldenen Fransen zeigt zwei Funktionäre, die in einer Rakete ins kommunistische Paradies fliegen. Die Sonderschau läuft noch bis Oktober.

Heute arbeitet das Museum eng mit anderen Einrichtungen und Schulprojekten zusammen und verleiht auch Exponate für spezielle Events. Im kommenden Jahr ist eine Nischenausstellung über die UdSSR-Tournee von David Bowie im Jahr 1973 geplant, die der Sänger, dessen Musik im Ostblock eigentlich verboten war, als „bizarren Trip“ beschrieb.

Und wie sieht es bei uns aus? Erst wird der ebenso verdiente wie unbequeme Hubertus Knabe als Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen und Streiter gegen Linksextremismus hinausgeworfen, jetzt plant die Bundesregierung mitten in Berlin ein weiteres „Dokumentationszentrum Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa (ZWBE)“ auf 15.000 Quadratmetern in die City zu klotzen. Um etwas über die Geschichte der Diktatur in DDR und Ostblock zu erfahren, muß man wohl oder übel nach Los Angeles in die Vereinigten Staaten reisen …