© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/22 / 15. Juli 2022

Alle für keinen, keiner für alle
Dänemark: Die Rechte in dem skandinavischen Land ist zerstritten / Drei Parteien streiten sich um Wählerstimmen
Christoph Arndt

Dänemarks rechtskonservatives Lager steht vor einer Neuordnung. Die Dänische Volkspartei (DF), seit 1995 eine der erfolgreichsten Rechtsparteien Europas, kriselt und hat seit Jahresbeginn 11 ihrer 16 Abgeordneten verloren und derzeit nur noch fünf Mandate im Folketing. Sie muß sich zudem mit einer neuen Konkurrenz, den neu gegründeten Dänemarkdemokraten messen. Ende Juni verabschiedeten sich drei Schwergewichte der DF. Zunächst verließen der Mitgründer und langjährige Fraktionsvorsitzende Peter Skaarup sowie der Chefstratege und ehemalige Pressechef Søren Espersen sowie zwei weitere Abgeordnete Partei und Fraktion. Kurz danach folgte Kristian Thulesen Dahl, ein weiterer Mitgründer von 1995 und ehemaliger Vorsitzender (2012–2022). Die DF verlor bereits im Februar 2022 sechs Abgeordnete, die bis dato als Fraktionslose im Folketing verblieben.

Der Aderlaß ist die Konsequenz einer längeren Krise, die mit der Wahlniederlage 2019 einsetzte. Nachdem die DF 2015 ein Rekordergebnis von 21 Prozent und 37 Mandaten erreichte, gab es nur noch Verluste bei Wahlen auf allen Ebenen. Bei der Folketingswahl 2019 erreichte sie magere 8,7 Prozent, statt der gewohnt zweistelligen Resultate. Als Gründe für die Niederlage wurden der Nichteintritt in die Regierung Løkke Rasmussens (Venstre) nach 2015 sowie weitere strategische Fehler Dahls identifiziert. Dahl trat Anfang 2022 als DF-Vorsitzender zurück und wurde nach einer Kampfabstimmung durch Morten Messerschmidt ersetzt. Messerschmidt konnte jedoch die seit 2019 zunehmenden Auseinandersetzungen nicht überwinden.

Hierbei spielt Pia Kjærsgaard als Gründerin – langjährige Vorsitzende und „Mutter“ der Partei – eine zentrale Rolle. Kjærsgaard baute Messerschmidt als Konkurrenten von Dahl nach 2015 auf, so daß sich auf der einen Seite ein Kjærsgaard-Messerschmidt-Lager und auf der anderen Seite ein Lager um Dahl und andere langjährige Abgeordnete bildete. Der Konflikt dreht sich auch um einige strategische Fragen, aber zumeist traten persönliche Animositäten und die schlechte Arbeitskultur in Fraktion und auf Führungsebene zutage. Nahezu alle ehemaligen DF-Abgeordneten verwiesen direkt oder indirekt auf Kjærsgaards Rolle, ihren abhanden gekommenen Instinkt sowie Messerschmidts fehlende Führungsqualität als Grund für ihre Demission.

Parallel zur Krise der DF begann die ehemalige Zuwanderungsministerin Inger Støjberg, Strukturen für eine neue Partei im Hintergrund zu bilden. Støjberg diente viele Jahre als Ministerin der rechtsliberalen Venstre, wurde aber am 13. Dezember 2021 von einem Reichsgericht verurteilt, weil sie eine gesetzeswidrige Anweisung zur Trennung einer minderjährigen Asylbewerberin von ihrem Ehemann durchsetzte. Støjberg verlor dabei ihr Mandat, bekam eine zweimonatige Strafe, welche sie mit einer elektronischen Fußfessel abgelten konnte und trat aus der Venstre aus, nachdem dessen neue Führung das Verfahren unterstützte. Nach dem Ende der Strafe kamen Gerüchte über eine neue Partei von Støjberg und Dahl auf, welcher nach seinem Rücktritt als DF-Vorsitzender weitgehend marginalisiert war, aber noch viele Unterstützer in der Fraktion hatte.

Das rechte Lager befindet sich in einem Kannibalisierungsprozeß 

Støjberg gründete dann am 23. Juni die Dänemarkdemokraten und erreichte in Rekordzeit die 20.182 schriftlichen Wählererklärungen, um an der nächsten Wahl zum Folketing teilzunehmen. Einige ehemalige DF-Abgeordnete erklärten sich bereit, Støjbergs Partei beizutreten, womit diese dann auch eine Fraktion im Folketing hätte. Aufnahmegespräche mit den ehemaligen DF-Abgeordneten sind dabei geplant. Dazu gehören Skaarup und Espersen, nicht jedoch Dahl, welcher zukünftig in den Vorstand des Aalborger Hafens wechselt und aus der Politik ausscheidet. 

Støjbergs Partei hat derzeit keine regulären Mitglieder, sondern nur Unterstützer und auch noch kein fertiges Programm, will jedoch mit einer bürgerlichen, aber auch islamkritischen Ausrichtung punkten. Zudem hat sie die Bewohner ländlicher Regionen im Blick, welche die „Kopenhagenisierung“ der Politik skeptisch sehen. Somit werden mit der DF, den wirtschaftsliberalen Neuen Bürgerlichen (NB) und den Dänemarkdemokraten drei Rechtsparteien bei der nächsten Wahl gegeneinander antreten und um ähnliche Wählergruppen konkurrieren. Dies birgt die Gefahr einer Kannibalisierung im rechten Lager. Jüngste Umfragen Anfang Juli sahen die „sonstigen Parteien“, darunter auch die Dänemarkdemokraten, bei 10 Prozent und die DF bei nur noch drei Prozent. Die zukünftige sozialpolitische Ausrichtung der Dänemarkdemokraten wird dabei die Zukunft der DF mit Sicherheit ganz wesentlich beeinflussen.

Foto: Auf Wahlkampftour: Der Chef der Dänischen Volkspartei (DF), Morten Messerschmidt