© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/22 / 15. Juli 2022

Exporteinbruch und negative deutsche Außenhandelsbilanz
Heftige Wohlstandsverluste
Jörg Fischer

Es war die Hiobsbotschaft, die Crash-Propheten ins Konzept paßt: Die deutsche Handelsbilanz ist im Mai mit einer Milliarde Euro ins Minus gerutscht. Aber ist mit dem „historischen Einbruch der Exporte“ wirklich der „Niedergang der deutschen Wirtschaft“ eingeleitet? Ist der einstige Exportweltmeister Deutschland tatsächlich „in die 2. Bundesliga abgestiegen“? Und liegt all das vor allem an zu geringer Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit?

Aus den Monatszahlen des Statistischen Bundesamts läßt sich das nicht ableiten. Ja, der Wert der Einfuhren überstieg im Mai mit 127 Milliarden Euro den Wert der ausgeführten Waren (126 Milliarden Euro). Ein solches Monatsminus gab es zuletzt 1991, als die Ex-DDR-Bürger im Kaufrausch und der Investitionsstau nach Jahrzehnten Realsozialismus gigantisch waren. Doch der Exporteinbruch von 0,5 Prozent im Vergleich zum April – aber +11,7 Prozent zum Mai 2021 – ist derzeit nicht das entscheidende Problem. Der Bruch mit Rußland schmerzt die deutsche Industrie, aber ein deutsches Ausscheren bei den Sanktionen hätte unseren wichtigsten Absatzmarkt gefährdet: Waren für 13,4 Milliarden Euro gingen im Mai in die USA; nur für 1,1 Milliarden Euro wurde nach Rußland geliefert. Hauptsächlich Arzneimittel – und die stehen noch nicht auf einer EU-Embargoliste.

Die wahre Schreckensnachricht offenbart sich beim Blick auf die deutschen Importe: Deren monatlicher Wert stieg 2021 erstmals auf über 100 Milliarden Euro – doch wir sind auf Rohstoffe, Nahrungsmittel, Billigwaren und High-Tech aus aller Welt angewiesen. Natürlich hat die Misere etwas mit den gestörten Produktionsketten, den Lieferengpässen, der Inflation, dem Ukraine-Krieg, den Sanktionen und den Extrempreisen für Öl und Gas zu tun. Sogar die „deutschen Importe aus Rußland stiegen gegenüber Mai 2021 um 32,8 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro an“, vermeldeten die Wiesbadener Statistiker. Mengenmäßig wurden aber insgesamt 29,1 Prozent weniger Gas, Öl, Kohle oder Metalle von dort eingeführt.

Sprich: Es gibt weniger für mehr Geld – und das betrifft auch die Einfuhren aus China oder Amerika. Aber das liegt maßgeblich auch am schwindsüchtigen Euro. Die D-Mark wertete hingegen jahrzehntelang auf – das brachte Wohlstand, das machte Importe und Auslandsurlaube für alle auch in Krisen erschwinglich.