© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/22 / 15. Juli 2022

Ich kann sie nicht sehen!
Frequenzneuvergabe: Den Öffentlich-Rechtlichen drohen starke Einbußen bei ihrer Reichweite
Frank Hauke

Verlieren die deutschen Radio- und Fernsehsender wichtige Frequenzen, auf denen sie bisher ihre Programme ausstrahlen? Das digitale Antennenfernsehen (DVB-T2) könnte bald der Vergangenheit angehören. Damit erreichen ARD, ZDF, Sat.1, RTL und Co. ihre Zuschauer vor allem in den Städten und Ballungsräumen. Doch für das sogenannte Ultrahochfrequenz-Spektrum (UHF), das dafür genutzt wird, gibt es wichtige andere Interessenten: Feuerwehr, Bundeswehr, Polizei und Mobilfunk wollen darauf senden. Die Länderinnenminister haben diesem Wunsch bereits zugestimmt.

Entscheidend ist die Weltfunkkonferenz Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort muß Deutschland eine einheitliche Position beziehen. Das Gremium entscheidet dann über die Vergabe des UHF-Bandes ab dem Jahr 2030. Geht es tatsächlich an die Mobilfunkkonzerne sowie die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), würde dies das Ende von DVB-T2 bedeuten. Das wird über UHF verbreitet.

Die Konkurrenz aus Behörden und Militär hat die Politik hinter sich

Betroffen wäre auch die Event- und Kulturbranche, die sich deshalb europaweit organisiert und jüngst wieder einen flammenden Appell an die Öffentlichkeit und die Entscheidungsträger gerichtet hat. Bei keinem Konzert wären die Mikrofone mehr nutzbar. Denn diese funken ebenfalls über die umkämpften Frequenzen im elektromagnetischen Wellenbereich zwischen 470 und 694 Megahertz. Nicht einmal mehr ein Gottesdienst, geschweige denn ein Parteitag oder Kongreß wären dann mit der heutigen Technik durchführbar, heißt es. Um sich verständlich zu machen, müßten die Veranstalter auf das antiquierte Megafon zurückgreifen. Gehen die Frequenzen an andere Nutzer, wären die öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Sender in zahlreichen Wohnzimmern in Berlin, Hamburg oder Köln nicht mehr zu sehen. 6,7 Prozent der Deutschen empfangen ihr TV-Angebot derzeit auf diese Weise. Und der Anteil steigt seit drei Jahren kontinuierlich. 2024 werden die Nebenkosten dafür abgeschafft. Dadurch wird ein weiterer Kostensprung bei der Rundfunkgebühr erwartet.

Das mächtige Bündnis namens „Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen“ aus ARD, ZDF, Deutschlandradio und den meisten Privatsendern sowie den Landesmedienanstalten, dem Zentralverband der Elektroindustrie, dem Audiotechnik-Unternehmen Sennheiser, dem Sendernetzbetreiber Media Broadcast sowie der Initiative „SOS – Save Our Spectrum“ eint die Sorge vor dem Verlust der wichtigen Frequenzen.

Vor allem für ARD und ZDF mit ihrem Anspruch der Grundversorgung wäre der Wegfall von DVB-T2 fatal. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der dann in den Metropolen kaum mehr erreichbar wäre, hätte ein Problem. Sind dann noch Zehntausende Mitarbeiter nötig? Müßten die Menschen, die von der Ausstrahlung der Programme über die digitalterrestrischen Frequenzen ausgeschlossen werden, überhaupt noch ihren Rundfunkbeitrag bezahlen? Wären Sparmaßnahmen angesagt? Oder müßten teure Alternativlösungen geschaffen werden? Die Fragen stellen sich die Verantwortlichen derzeit, und ihre Angst vor möglichen finanziellen Einbußen und dem Verlust an Bedeutung ist groß.

Daher mobilisieren sie massiv hinter den Kulissen, das UHF-Band nicht Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz zu überlassen. Dort steht man allerdings vor der Herausforderung, modern kommunizieren und einen weiteren Schritt in die Digitalisierung gehen zu wollen. Und auch der Mobilfunk soll, so ist es der Wille der Politik, in Deutschland endlich einem Industrieland angemessen möglich sein. In Erinnerung bleibt die Anweisung des früheren Wirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU) an sein Büro, keine Gespräche mehr in seinen Dienstwagen durchzustellen. Denn es war dem Politiker vor seinen ausländischen Amtskollegen und globalen Wirtschaftsführern peinlich, daß die Verbindungen wegen der Funklöcher oft unterbrochen wurden. Das brüchige Netz ist ein weltweit einmaliger Makel und keine Referenz für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Beim Kampf um UHF treffen unterschiedliche, jeweils für das Land wichtige Akteure aufeinander. Nun geht es darum, Prioritäten zu setzen. Nachdem sich die Länderinnenminister für die Sicherheitsorgane entschieden haben, hat sich die rheinland-pfälzische Staatssekretärin Heike Raab, die die Rundfunkkommission der Länder leitet, kürzlich auf die Seite der Sender geschlagen. Pikant: Rheinland-Pfalz war von der katastrophalen Kommunikation während der Ahrtal-Flut 2021 besonders betroffen. Mehr als hundert Menschen starben dort, weil sie nicht rechtzeitig vor der Naturkatastrophe gewarnt worden waren.

Teilen oder ganz aufgeben – das sind die Optionen der GEZ-Sender

Auch die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP bekennt sich im Koalitionsvertrag dazu, die Nutzung der Frequenzen durch Rundfunk und Kultur fortzusetzen. Anderenfalls müßten ARD und Rundfunknetzbetreiber auch ihre UHF-Modellversuche abbrechen, über 5G zu übertragen. Damit könnten die Sender die Menschen direkt auf mobilen Endgeräten erreichen – auch wenn diese über keinen Mobilfunkvertrag verfügen.

Eine wichtige Rolle bei der Abwägung zwischen Rundfunk und innerer Sicherheit spielt die Bundesnetzagentur. Eine von ihr in Auftrag gegebene Studie macht den Sendern wenig Hoffnung. Denn die Autoren sehen nur zwei Möglichkeiten: Entweder teilen sich die Interessenten die Frequenzen oder sie gehen komplett an den Mobilfunk und die Sicherheitsbehörden. Verlieren werden die Rundfunkbetreiber demnach mindestens einen erheblichen Teil. Und das würde bedeuten, sie müßten selbst im Falle der geteilten Nutzung ihre bisher regional unterschiedlichen Angebote vereinheitlichen. Mehr Platz ist auf dem UHF-Band nicht vorhanden.

EU-Allianz für TV-, Radio- und Kulturveranstalter:  www.frequenz-allianz.at/news