© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/22 / 15. Juli 2022

Dollardoping aus der kanadischen Taiga
Im Sommer 1897 brachen Zehntausende Glücksritter in die Wildnis an den Flüssen Yukon und Klondike auf, weil dort Goldfunde bekannt wurden
Werner Becker

Mit dem Coinage Act von 1873 wurde in den USA praktisch eine Goldwährung eingeführt, was nach und nach zur Deflation beziehungsweise dann zur Depression von 1893 führte, weil das für die Münzprägung zur Verfügung stehende Gold nicht ausreichte. Denn dieser Mangel begrenzte die umlaufende Geldmenge und würgte die Wirtschaft ab. Dennoch gab es damals viele einflußreiche Stimmen, welche zusätzlich noch einen Goldstandard forderten: Papiergeld sollte künftig durch Gold gedeckt und überdies jederzeit in Gold umtauschbar sein können. 

Ein Zeitungsartikel vom 17. Juli 1897 entfachte das Goldfieber 

Vor diesem Hintergrund bestand ein großes allgemeines Interesse an der Erschließung neuer Vorkommen des Edelmetalls, wobei sich das Augenmerk der Exploratoren zunehmend auf Kanada richtete. Und tatsächlich wurden in Regionen wie dem Yukon-Territorium an der Grenze zu Alaska auch einige Goldfunde gemacht, was aber zunächst kein großes Aufsehen erregte. Dann freilich stieß eine Gruppe Indianer vom Volk der Tagish um Skookum Jim Mason am 16. August 1896 am Rabbit Creek, einem Zufluß des Klondike River, auf größere Mengen Gold. Dabei wollten deren Frauen hier eigentlich nur ihre schmutzigen Bratpfannen reinigen.

Daraufhin strömten nun mehrere Dutzend Glücksritter in die Region und begannen ebenso emsig wie erfolgreich zu schürfen. Einen Goldrausch löste jedoch auch dies noch nicht aus, weil kaum jemand hiervon wußte. Das änderte sich erst am frühen Morgen des 17. Juli 1897, als der Dampfer „Portland“ in Seattle einlief und 5.000 Menschen im Hafen bereitstanden, um mit eigenen Augen zu prüfen, ob das Blatt Seattle Post-Intelligencer die Wahrheit geschrieben hatte. Dessen aktuelle Schlagzeile lautete nämlich „Gold! Gold! Gold!“ Darunter folgte ein Bericht über 68 reiche Männer, die mit einer Tonne Gold im Wert von 700.000 Dollar aus dem Yukon-Territorium zurückkehrten. Die Masse forderte die Ankömmlinge auf, ihre Funde vorzuzeigen, was diese nur allzugern taten, wobei das nachfolgende Wiegen ergab, daß sie sogar zwei Tonnen des Edelmetalls mitbrachten.

Deshalb wollten nun sofort unzählige Menschen in die dünn besiedelte Region am Zusammenfluß von Klondike und Yukon reisen, weswegen die Plätze an Bord der „Portland“, welche bald den Rückweg nach Norden antreten sollte, bis Mittag ausgebucht waren. Immerhin erhielt man damals für eine Unze Gold schon etwa das Zehnfache des üblichen Arbeiter-Tageslohnes. Insgesamt machten sich wahrscheinlich etwa 100.000 Menschen ins Yukon-Territorium auf, wo binnen kürzester Zeit eine Stadt namens Dawson City entstand, während der Anteil der Indianer an der Gesamtbevölkerung der Region bis 1901 auf zehn Prozent fiel. Allerdings war der Weg zu den Goldfeldern in Kanada ungeheuer beschwerlich, wovon unter anderem die Romane von Jack London alias John Griffith Chaney künden. Als besonders gefährlich erwiesen sich dabei die zu überschreitenden Gebirgspässe wie der Chilkoot-Pass und der White-Pass. Beispielsweise kamen am Chilkoot am 3. April 1898 63 Männer in einer Lawine um. Vermutlich wandten die Goldsucher in spe damals 50 Millionen Dollar auf, um zu ihren Claims zu gelangen.

Infolge des schnell wachsenden Goldzustroms vom Klondike und dessen Nachbarflüssen, der alsbald zu einer Verdopplung der weltweiten Jahresförderrate führte, schwand der Widerstand gegen die Einführung des Goldstandards in den USA. Diese erfolgte schließlich am 14. März 1900 mit dem Gold Standard Act. Das Gesetz hatte bis 1933 Gültigkeit und erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg eine Neuauflage – ehe Präsident Richard Nixon die Konvertabilität des US-Dollars zu Gold am 15. August 1971 für immer aufhob. 

Am Klondike wird auch heute noch Gold gefördert: Die Ausbeute liegt momentan im Bereich von bis zu 60.000 Unzen pro Jahr, wobei die Gesamtmenge des seit 1896 gewonnenen Edelmetalls wohl 570 Tonnen beträgt.