© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/22 / 15. Juli 2022

Frisch gepreßt

Kosmonauten. Eine Akte ist eine Akte ist eine Akte. Die Adaption von Gertrude Steins legendären Zeilen bildet vielleicht den Einstieg, um einen Eindruck über Ines Geipels Werk zu vermitteln, das – anders als Dichter Durs Grünbein über ihre Bücher dekretierte – erstmals kein „Politikum“ werden dürfte. Dies spricht aber nicht gegen die jüngste Publikation der einstigen DDR-Sprinterin, die nach ihrer Flucht in den Westen zu den wichtigsten Stimmen für die Opfer des DDR-Systems wurde. Sie widmet sich der in Archiven abgelegten und bislang tabuisierten Geheimforschung zur Eroberung des Weltalls durch den „Neuen Menschen“ des Sozialismus – einer Ära, in der die Wahrheit Zukunft hieß. Im Unterschied zum „Apollo“-Programm der USA firmierte die Weltraumforschung „in den Militärlaboren des Ostens“ unter dem sowjetischen Programm „Interkosmos“, das 1988 gar in das berüchtigte Labor Wuhan führte. Dabei entpuppt sich das Buch als autobiographische, vor allem polit-poetische Reflexion, die eher beiläufig den geheimen, oft dubiosen Forschungsvorhaben und dem ideologischen Fortschrittsglauben einer totalitären Diktatur nachspürt, die allerdings nicht ohne den Wettbewerb mit dem „Militärisch-Industriellen Komplex“ (MIK) der US-Hemisphäre zu denken sind. (cd)

Ines Geipel: Schöner Neuer Himmel. Aus dem Militärlabor des Ostens. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, 2022, gebunden, 287 Seiten, 22 Euro





20. Juli. Anläßlich des 75. Jahrestages des Hitler-Attentats des Widerstandskreises „deutscher Patrioten aus allen politischen Lagern“ veranstaltete die Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944 e.V. zusammen mit Sachsens Vertriebenenstiftung „Erinnerung, Begegnung, Integration“ im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden eine Historikerkonferenz. Die Tagungsleiter Frank-Lothar Kroll (Chemnitz) und Rüdiger von Voss haben 16 Aufsätze, die sich zentral der Fragestellung nach politischen und moralischen Beweggründen der Regimegegner widmen, in einem Sammelband herausgegeben. Darin werden „unlängst erneut vorgenommene inakzeptable Infragestellungen des Widerstandshandelns“ in den Fokus genommen, wobei der Angriff von Hans-Christof Kraus (Passau) auf Thomas Karlauf besonders heraussticht, da dieser zuletzt mit seiner „legendenbrechenden“ Stauffenberg-Biographie von 2019 „ältere Deutungen nahezu bis zur Karikatur verzerrt“ habe, um seinem „höchst zweifelhaften Bild“ des Attentäters Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Besondere Aufmerksamkeit verdient auch Alfons Söllners Analyse der 20.-Juli-Rezeption deutscher Amerika-Emigranten wie Hans Rothfels („Ehrenrettung“) und Hannah Arendt („polemische Marginalisierung“). (bä)

Frank-Lothar Kroll, Rüdiger von Voss (Hrsg.): Für Freiheit, Recht, Zivilcourage. Der 20. Juli 1944. Bebra Verlag, Berlin 2021, gebunden, 354 Seiten, 40 Euro