© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/22 / 15. Juli 2022

Kabinenklatsch
Außenseiter Spitzenreiter
Ronald Berthold

Karma ist manchmal echt eine Bitch. Wimbledon hatte sich überaus politisch korrekt gegeben. Auf keinen Fall sollte einer der Titel in die Hände eines Verstoßenen geraten. Und so schloß die Leitung des berühmtesten Tennisturniers der Welt im Vorfeld alle Russen und Weißrussen vom Wettbewerb aus. Was für ein Pech aber auch: Trotzdem gewannen die Ausgestoßenen. Bei den Herren triumphierte der Impfgegner Novak Djokovic, dem ein Amok laufender australischer Corona-Staat noch im Januar das Visum entzogen und verboten hatte, seinen Titel zu verteidigen. Der 36jährige soll sogar für die nächsten drei Jahre nicht auf den fünften Kontinent dürfen. In London hat er es nun allen gezeigt und den einst begehrtesten Titel des Planeten gewonnen. „Einst“ schreibe ich deswegen, weil es diesmal keine Weltranglisten-Punkte gab. Die hatten die Welt-Verbände dem Turnier nach dem Ausschluß der (weiß-)russischen Tennisspieler entzogen.

Und so konnte sich auch die gebürtige Russin Jelena Rybakina nicht von ihrem 23. Platz verbessern. Die Moskauerin, die für Kasachstan startet, siegte völlig sensationell in der Frauen-Konkurrenz. Es ist das erste Mal überhaupt, daß sie ein Grand-Slam-Turnier gewinnt. Und dann ausgerechnet dort, wo Russen nicht mitmachen durften, weil ihr Präsident einen Krieg führt, mit dem die Sportler nichts zu tun haben. Da Rybakina aber für den nicht minder autokratischen kasachischen Staat antritt, macht das die Groteske perfekt. Und als der Chef des russischen Tennisverbandes jubelte: „Wir haben Wimbledon gewonnen“, dürfte auch in England klargeworden sein, daß das mit dem Ausschluß irgendwie keine ganz so gute Idee gewesen ist.