© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/22 / 22. Juli 2022

NRW-Meldestellen für Nicht-Strafbares
Offener Aufruf zur Denunziation
Vera Lengsfeld

Als die Stasi-Akten 1992 geöffnet wurden, war die Welt entsetzt über das Denunziantentum in der DDR. Voreilig wurde den „Insassen“ (Joachim Gauck) des SED-Staates bescheinigt, besonders anfällig für Spitzeleien gewesen zu sein. Die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley warnte dagegen, daß die Methoden der Stasi genauestens untersucht und übernommen würden: „Man wird sie ein wenig adaptieren, damit sie zu einer freien westlichen Gesellschaft passen. Man wird die Störer auch nicht unbedingt verhaften. Es gibt feinere Möglichkeiten, jemanden unschädlich zu machen. Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen – das wird wiederkommen (…). Man wird Einrichtungen schaffen, die viel effektiver arbeiten, viel feiner als die Stasi.“

Nun sind wir soweit, vorerst nur in Nordrhein-Westfalen, aber andere Bundesländer werden folgen. Die Regierung Wüst (CDU) richtet ein „bundesweit einzigartiges System von Meldestellen“ ein, um „auch die Diskriminierungsvorfälle (zu) registrieren, die unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen und deswegen nicht in den polizeilichen Statistiken erfaßt werden“, verkündete die Landesfamilienministerin Josefine Paul (Grüne). Das ist ein offener Aufruf zur Denunziation von Andersdenkenden.






Vera Lengsfeld war DDR-Bürgerrechtlerin und CDU-Bundestagsabgeordnete.