© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/22 / 22. Juli 2022

Senf oder Ketchup?
Ein Sommer in Thüringen: Auch jenseits von Goethe, Schiller und Bach ist das grüne Herz Deutschlands unbedingt jeden Besuch wert. Unsere Reise führte uns kreuz und quer durchs Land, immer nah an den Menschen, und gab uns Antwort auf eine Identitätsfrage
Martina Meckelein

Sollten Sie hier jetzt eine Geschichte über Goethe, Schiller, Bach und die Wartburg erwarten – blättern Sie bitte gleich weiter, Sie würden enttäuscht. Denn das schönste Land Deutschlands hat weit mehr zu bieten als die Weimarer Klassik, ein Tintenfaß oder die G-Moll-Fuge für Bildungsbürger. Wir laden Sie vielmehr ein, uns auf eine kurzweilige Reise zu begleiten, mit dem Ziel, eine Frage zu beantworten: Was macht Thüringen so liebenswert?

„Natürlich die Burgen“, schwärmt Kollege Thomas Herfurth, unser Verlagsbuchhändler, abends im Bierlokal „Stadtgarten“ in Erfurt. Die Luft ist lau, die Sonne geht unter. Einfach prächtig sitzt es sich hier unter den uralten Kastanien. Vögel zwitschern in den mächtigen Kronen, von den Nebentischen dringt Gemurmel, manchmal Kichern herüber. Unter den Schritten knirscht der Kies. Selbstbedienung am Ausschank. Die Preise sind gepfeffert: Sieben Euro für ein Viertel Weißwein am Rande der Altstadt. Wobei der Zapfer uns ordentlich über die Marke einschenkt. Man merke: Es gibt immer etwas mehr fürs Geld – das ist eben Thüringen. Wir beratschlagen noch einmal unsere Route für die kommenden Tage.

„Hier stehen die Burgen nur Steinwürfe voneinander entfernt, gehst du aus einer raus, trittst du der nächsten schon die Tür ein“, erklärt der Kollege. Nun, recht hat er. Über 400 Burgen und Schlösser gibt es in Thüringen, die höchste Dichte in Deutschland. Der Kleinstaaterei sei Dank. Die Herrscherhäuser von England, Schweden, Belgien oder Norwegen haben ihre Wurzeln in Thüringen. Denn sie gehen alle auf eine Familie zurück: die Ernestiner. Und die saßen im Schloß Friedenstein in Gotha. Sachsen-Coburg-Gotha – klingelt es? Und auch das: Der englische Publizist David Goodhart hat unrecht, wenn er meint, die beiden Metaklassen, die Somewheres, also die Dagebliebenen, und die Anywheres im Sinne von Nirgendwos seien ein neues gesellschaftliches Phänomen. Nein, der Adel hat es erfunden.

„Herfurth“, mahne ich, „wir müssen auf die Mischung achten, nicht zu viele Burgen, auch alte Bürgerhäuser und ein bißchen Landschaft und Menschen!“ Herfurth ist geborener Thüringer und bekennender Lokalpatriot, wie alle Thüringer. Alles erinnert sie an oder vergleichen sie mit ihrer Heimat. „Erinnert mich an Rudolstadt“, oder „so schön wie Rudolstadt“. Das wird Kollege Herfurth in den kommenden Tagen, die wir gemeinsam unterwegs sein werden, noch öfter sagen. Allerdings niemals: „Schöner als Rudolstadt.“ Unmöglich.

Ihm zu Ehren geht es am kommenden Morgen mit dem gemieteten VW Polo flott Richtung Heimatstadt. „Himmel, die blitzen hier ja sogar aus Müllcontainern!“, wettert Herfurth. „Nun, die Kommunen brauchen Geld“, sage ich. Aber das exzessive Aufstellen der Blitzophoniums ist schon eine wahre Plage im Freistaat. Schon Ende der neunziger Jahre war es äußerst riskant, sich im Revier der ehemaligen Verkehrspolizei-Inspektion Jena nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung zu halten. Wer zu schnell über das Hermsdorfer Kreuz fuhr, der war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die nächsten Monate auf Schusters Rappen unterwegs.

An unserem ersten Ziel, der Heidecksburg, war Herfurths Großonkel vor vielen Jahren Hausmeister. Als Kind turnte unser Bücherwurm durch die Gänge und Keller. Hier, 60 Meter über der Stadt, residierten bis 1919 die Grafen und Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt. Die Heidecksburg ist eines der prachtvollsten Barockschlösser Thüringens. Wer durch die Flügeltüren über Marmor- und Parkettböden zum großen Festsaal schlurft – Filzpuschen-Überzieher sind Pflicht –, der staunt, das Atmen fast vergessend, ob der Farbigkeit des riesigen Deckenfreskos. Dargestellt ist die gesamte griechische Götterwelt – fast. Dann die eleganten Spiegel, die zierlichen geschwungenen Emporengeländer und der verspielte und überbordende Stuck. Der ganze Saal scheint in Bewegung, und er ist so schön, daß zwei Pärchen aus den Niederlanden jauchzend und sich umarmend einen Walzer aufs Parkett legen; ihre Nationalität erkennen wir später an den Kennzeichen, als sie wieder in die Autos steigen. Lebensfreude pur, Rokoko ist ansteckend. Apropos, deshalb sind wir ja hier, um uns die ständige Ausstellung „Rococo en miniature“ anzusehen.

Von Mini-Königreichen und dem Rennsteig als Kümmeläquator

Eine Dauerausstellung, deren Entstehungsgeschichte auch mit der deutschen Teilung zu tun hat. In Jahrzehnten ließen der Bühnenbildner Manfred Kiedorf und der Restaurator Gerhard Bätz trotz oder wegen der DDR-Tristesse eine Phantasiewelt entstehen: die zwei Miniatur-Königreiche Pelarien und Dyonien. Eine Insel, zehn Schlösser, über tausend Figuren, und alles im Maßstab 1:50. Und wenn man lange genug durch das Glas in die Schlösser, Parks und Ruinen blickt, die entzückenden Damen in ihren Roben, die stolzen Pferde und feschen Soldaten betrachtet, scheinen sie irgendwann zu scherzen, zu traben und zu exerzieren. Eigentlich müßten wir zum Abschied „Hoch Heidecksburg“, den schmissigen Konzertmarsch von Rudolf Herzer aus dem Jahr 1913 hören, aber Antenne Thüringen Classics spielt – Bach, was sonst.

Saalfeld liegt eigentlich nur einen Katzensprung entfernt. Uneigentlich stehen uns allerdings riesige Umleitungen im Wege. So kommen wir zwar pünktlich, aber abgehetzt bei den Feengrotten an. Hier erwartet uns Verena Sigmund. Ihre Eltern waren Flüchtlinge aus Ostpreußen und dem Sudetenland. Zu DDR-Zeiten war sie Sekretärin in der Maxhütte in Unterwellenborn. „Für meinen Mann und mich war es nie eine Frage, nach der Wende in den Westen zu gehen. Thüringen ist unsere Heimat, ich würde nie tauschen.“ Die Bedeutung des Begriffs Heimat, wird sie später erzählen, begann sie unter dem großen runden Wohnzimmertisch zu verstehen. Dort saß sie an Feiertagen und hörte ihre Eltern Lieder aus der Heimat singen. „14 Jahre nach der Flucht brachen sie immer noch in Tränen aus.“ Nach der Wiedervereinigung trat Sigmund in die CDU ein, wurde Stadträtin und war fünf Jahre CDU-Kreisvorsitzende. Sie erlebte die Aufbaujahre nach der Wende hautnah. „Es kamen Westimporte, gute und schlechte“, sagt sie rückblickend. Einige dieser „Importe“ wurden nur durch Handauflegen in den höheren und gehobenen Dienst katapultiert. Kein Wunder, daß das zu Verwerfungen führte. Sigmund machte selbst Karriere, als „Ossi“ im Westen. Sie ging nach Bonn, später Berlin, wurde Büroleiterin der damals jüngsten Ministerin in einem Bundeskabinett, der Familienministerin Claudia Nolte – und pendelte jede Woche, der Heimat wegen. Jetzt, mit Mitte Sechzig, sitzt sie im Kreistag für die AfD. Woran erkennt man eigentlich einen Thüringer? „Ganz klar am Senf auf der Bratwurst“, lacht sie zum Abschied, „nur Touristen essen sie mit Ketchup.“

Apropos Essen. Kultur fängt bekanntlich beim Essen an. Und da hat Thüringen doch einiges zu bieten: Den Thüringer Kloß kennt jeder. Aber da gibt es auch den Mutzbraten aus Schmölln am Spieß. Er stammt von der Mutz, einem eierlegenden Wollmilchschwein, das zwar noch niemand gesehen hat, aber zu 100 Prozent in Ostthüringen beheimatet ist, versichern jedenfalls die Restaurants. Und dann gibt es natürlich die Thüringer Bratwurst. Erstmals erwähnt 1404 in einer Rechnung des Arnstädter Jungfrauenklosters. An der Wurst scheiden sich die Geschmacksnerven. Und zwar an einer Zutat: dem Kümmel. Nördlich des Rennsteigs wird sie mit ihm, südlich davon ohne ihn genossen. So hat der bewaldete Wander- und Radweg unter anderem auch den Namen Kümmeläquator weg. Und nun müssen wir einmal Kritik üben. Was waren das noch für Zeiten, damals in den 1990er und 2000er Jahren, als an vielen Parkplätzen und Straßenrändern die Thüringer Roster standen. Da wurde gegrillt und gebrätelt, was die Holzkohle hergab, und nur darauf gegrillt schmeckt die Wurst. Und heute? Lassen die Umgehungsstraßen den Magen knurren.

„Wir sind nicht böse drüber“, sagt eine Anwohnerin in Schaala. Hierhin haben wir uns durchgeschlagen, um die alte Wehrkirche aus dem 12. Jahrhundert zu besuchen. „Können Sie sich vorstellen, was hier immer für ein Stau war? Hier schoben sich die 40-Tonner durch die engen Kurven. Nein, heute ist es viel angenehmer.“ Wir bitten um einen Blick in die Kirche. Die Frau, die vis-à-vis des Gotteshauses wohnt und gerade ihren Vorgarten kehrt, schaut zu den Nachbarn herüber, die den Schlüssel haben. „Die sind nicht da, da ist die Gartentür zu, die sind wohl zu den Kindern gefahren“, vermutet sie. Und wieder, so wie immer, kommt es zum Gespräch. „Früher, da war das hier alles anders. Wir kümmerten uns gemeinsam um die Kirche, putzten und reparierten. Aber heute sind wir zu wenige und zu alt. Geöffnet wird sie auch nur noch zu großen Feiertagen, und die Konfirmationen werden hier auch nicht mehr gefeiert.“ Thüringen wird nicht nur älter, sondern auch weniger. Anfang der neunziger Jahre zogen gerade die gutausgebildeten jungen Frauen fort. Die fehlen heute, wie auch ihre Kinder. „Aber manche Ehepaare ziehen jetzt wieder hierher zurück, es ist eben doch Heimat“, sagt sie zum Abschied und beginnt wieder zu fegen. Was ist das hier alles sauber. Wer aus Berlin kommt, verortet sich in einem Reinraum.

Im Ofen erwärmte Speisen und eine Führung durchs Schloß

Niemals weggezogen ist Dieter Huhn. Den Glasbläser treffen wir am folgenden Tag in Lauscha. „Ich habe das Handwerk vor 47 Jahren gelernt. Ich wollte eben selbständig sein, in meinem eigenen Atelier im Keller arbeiten, so wie wir das alle hier gemacht haben“, sagt der 63jährige. „Hier, bei den Bergen, kommt man doch im Winter gar nicht weg, jedenfalls damals nicht. Deshalb blieben viele eben hier. Außerorts zu arbeiten war damals bei Schnee unmöglich. Und jetzt sitze ich seit 20 Jahren in einer Schauwerkstadt, und die Leute gucken mir bei der Arbeit zu.“ Filigrane kleine Figürchen, Teufel, Papageien, Fische zaubert er mit dem Bunsenbrenner aus den rohen Glasstangen. Was er an Thüringen so liebt? „Bis vor zwei Jahren hätte ich noch gesagt, den Wald, aber schauen Sie sich die Bäume hier an, die werden braun.“ Schuld sei nicht nur der Borkenkäfer, „da stimmt etwas nicht“, meint Huhn.

Der Höhepunkt an diesem Abend ist das Schloß Molsdorf mit seinem Park. Molsdorf liegt zehn Kilometer südwestlich von Erfurt und ist per Busshuttle oder Auto gut zu erreichen. Gustav Adolf von Gotter (1692–1762), ein Bürgerlicher, der im Dienst Herzog Friedrichs II. von Sachsen-Gotha-Altenburg Karriere gemacht hatte und 1724 vom Kaiser in den Adelsstand erhoben wurde, kaufte 1734 die Wasserburg und ließ sie in ein Lustschloß umbauen. In dem kleinen Café können aus Brandschutzerwägungen, der alten Tapeten wegen, nur im Ofen erwärmte Speisen angeboten werden. Doch die sind leicht und lecker. Süppchen, Quiche, spritzige Cocktails serviert von herzlichem Personal auf der Terrasse mit Blick auf den englischen Rasen. Zwischendurch schlendern wir durch den romantischen kleinen Park und machen eine Führung durch das Schloß mit. Zu empfehlen ist, nicht nur für Heimwerker, die Inspiration suchen, ein Blick ins Bad: ein Himmel.

Ist das grüne Herz Deutschlands auch ein Hundehimmel? Es gibt hier eine Verbindung. Wer kennt sie nicht, den Dobermann und den Weimaraner. Der eine stammt aus Apolda, der andere aus Weimar, wie der Name schon vermuten läßt. Beide Rassen sind echte Arbeitstiere. Aber da gibt es noch Striezel, den Postillon d’Amour aus Waltershausen. Zwar ist seine Rasse unbekannt, aber seine Geschichte ist herzerweichend. Ein treues und verschwiegenes Tierchen. Weshalb auch sein Frauchen ihm 1630 ein Grab gegönnt hat. Auf das Grab im Schloß Burgk hätte allerdings der Hund, den man 1739 im zweiten Torhaus des Schlosses entdeckte, gerne verzichtet. Er wurde vermutlich als sogenanntes Bauopfer Ende des 15. Jahrhunderts lebendig eingemauert. Nun, so etwas ist nicht außergewöhnlich, aber unangenehm – für den Vierbeiner. Seine Mumie ist durch ein Fenster immer noch zu bestaunen, sein Seelchen hoffentlich im Hundehimmel.

Und weiter geht es nach Südwesten, Richtung Meiningen. Wir nehmen den Umweg über Ilmenau. Dem Thüringer liegt manchmal kein Zauber, eher ein hölzerner Charme inne. Flötete also der geborene Frankfurter Goethe einst hymnisch auf Ilmenau: „Wo bin ich? ist’s ein Zaubermärchen-Land?“, so holzt der Thüringer Volksmund: „Sieht deine Tochter aus wie Sau, schicke sie nach Ilmenau.“ Der Spruch hat einen realen Hintergrund: In Ilmenau gibt es eine Technische Universität, und diese Etablissements leiden stets unter einem akuten Frauenmangel. Wir sehen uns in dem Goethe-Städtchen genau um, taxieren prüfend die Passantinnen: In Ilmenau sehen die Frauen sehr hübsch aus.

Uhrengeschichte in Ruhla und „Schwalben“ aus Suhl

Der Thüringer an sich kann schmunzeln, zu gerne auch über sich selbst. Zu DDR-Zeiten produzierte der VEB Uhrenwerke Ruhla, wie die 1952 enteignete Thiele GmbH bald darauf hieß, Armbanduhren, Wecker, Taschenuhren, Schachuhren, Digitaluhren und Chronometer in hohen Stückzahlen. Aus dem Werbeslogan, wasserdicht zu sein, machte der Thüringer wirklichkeitsnah: „Ruhla-Uhren wasserdicht – rein geht’s Wasser, raus geht’s nicht.“ Und über die Zuverlässigkeit der Zeitmesser aus der Bergstadt am Rennsteig kalauerte der Volksmund: „Ruhla-Uhren – die gehen nach wie vor!“ Das örtliche Uhrenmuseum ist ein Muß. Ausgestellt wird mit der „Ruhla electric“ auch die erste elektrische Armbanduhr der DDR – keine Quarzuhr, sondern eine eigene Entwicklung.

In Meiningen nun sind wir nicht bloß der wunderschönen Altstadt, sondern der Eisenbahn wegen. Denn hier besteht das letzte größere Instandhaltungswerk für Dampflokomotiven in Westeuropa – seit 1914. Nicht nur für Enthusiasten. Es ist einfach riesig. Samstags sind Führungen (vorher allerdings die genauen Besichtigungstermine im Internet nachsehen). Außer Dampfloks ziehen historische Dieselloks, E-Loks, Triebwagen und Reisezugwagen früherer Epochen das Interesse auf sich.

In puncto Technikgeschichte hat Thüringen noch mehr zu bieten. In Suhl das Waffenmuseum und das Fahrzeugmuseum: BMW/EMW, MZ, Jawa, die kultige Simson-Vogelserie mit „Schwalbe“ und „Habicht“ – edle Bleche und Jugendträume, dazu bis heute auf den Straßen unterwegs. In Ohrdruf den Tobiashammer, eine wasserkraftgetriebene Schmiedehammeranlage. In Eisenach das Wartburgmuseum. Und wer sich fragt, warum man zu DDR-Zeiten schon am Tag seiner eigenen Geburt am besten einen Wagen bestellen sollte, der bekommt hier Antwort.

So langsam heißt es Abschied nehmen von Thüringen, von Erfurt. Abends sitzen wir wieder im Garten unserer gemütlichen Pension Malluche, einer riesigen Jugendstilvilla in der Kathäuser Straße, übrigens sehr zu empfehlen, sie ist meistens ausgebucht. Die Gera plätschert, gegenüber flanieren Passanten. „Waren Sie eigentlich am Lutherstein?“, will unser Gastgeber Harald Malluche (79), ehemals Elektroingenieur, wissen. Nein, den haben wir noch nicht besucht. Also, am kommenden Morgen wieder ins Auto und ab Richtung Stotternheim, in die Luthersteinstraße 1. Auf der Schotterpiste kommen uns schwere Kipplaster entgegen. Östlich von Stotternheim steht er, der Lutherstein aus schwedischem Granit. Am 2. Juli 1505, Luther studierte gerade Jura in Erfurt, wanderte er von seinen Eltern zurück aus dem Mansfelderland. Kurz vor der Stadt überraschte ihn ein so heftiges Gewitter, daß er gelobt haben soll: „Hilf du, St. Anna, ich will ein Mönch werden.“ Er kam heil aus dem Unwetter, trat am 17. Juli 1505 ins Augustinerkloster ein – der Rest ist Geschichte. Den Stein gibt es übrigens erst seit 1917. Eine Erfurter Bürgerin stiftete ihn.

„Der Thüringer ist standhaft“, beantwortet Malluche während unseres letzten Gespräches meine Frage nach der hervorstechendsten Eigenschaft dieses oftmals als „kleines zänkisches Bergvolk“ verunglimpften Menschenschlags. „Und er liebt seine Heimat.“ Vielleicht ist es ganz einfach zu erklären, warum Thüringen so liebenswert ist: Es wird geliebt.

Fotos: Thüringen ist ein Burgenland: Oben die Burgruine Hanstein im Landkreis Eichsfeld unweit des Dreiländerecks Hessen-Nieder-sachsen-Thüringen, unten ein Blick auf das Deckenbild im Festsaal der Heidecksburg, eines der prachtvollsten Barockschlösser des Landes; Ein Triebwagen der Oberweißbacher Bergbahn: Man kann im Thüringer Wald nicht nur wandern!; Heimatverbundene Minister-Büroleiterin Verena Sigmund (l.), romanische Klosterruine Paulinzella mit Bronzeskulptur „Kreuzmensch“ (r.): „Für meinen Mann und mich war es nie eine Frage, nach der Wende in den Westen zu gehen“; Teilansicht des römisch-katholischen Erfurter Doms: Im Mittelturm hängt mit der „Gloriosa“ die größte freischwingende mittelalterliche Kirchenglocke der Welt; Glasbläser Dieter Huhn aus Lauscha: In einer Schauwerkstatt gucken ihm Besucher zu, wie er mit dem Brenner die rohen Glasstangen zu Figürchen formt. Der Schnee im Winter machte es einst unmöglich, außerorts zu arbeiten.