© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/22 / 22. Juli 2022

Digitaler Generalstab
Cybersicherheit: Zum Schutz vor Angriffen aus dem Internet will die Innenministerin dem Bund mehr Macht geben / Verfassungsänderung geplant
Christian Schreiber

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will Kompetenzen in ihrem Haus bündeln und hat dazu eine Grundgesetzänderung vorgeschlagen: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) soll entsprechend zu einer Zentralstelle ausgebaut werden. Eine ähnliche Konstruktion gibt es jetzt schon beim Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz, die eng mit den jeweiligen Landesbehörden zusammenarbeiten. Damit will die Sozialdemokratin den Kampf gegen die sogenannte Cyberkriminalität endlich zur Chefsache machen – denn die Verantwortung für Cybersicherheit liegt derzeit bei den Ländern. 

Faesers Plan zur Cybersicherheit dürfte für Proteste sorgen

„Das BSI kann daher bislang nur Amtshilfe leisten. Das aber ist angesichts der gewachsenen Bedrohung nicht mehr zeitgemäß. Langfristig sind die Länder mit der Aufgabe überfordert“, argumentiert Faeser und präsentierte vergangene Woche in Berlin ein 16seitiges Papier zur künftigen Abwehr von Cybergefahren sowie zum besseren Schutz kritischer Infrastruktur und zur Bekämpfung der Kriminalität im Netz. Die Kernforderung lautet: Das Innenministerium und die ihm angeschlossenen Behörden müßten künftig in der Lage sein, bei Cyberattacken schneller und besser reagieren zu können. Unterschwellig klingt dabei natürlich vor allem die Furcht durch, der Ukraine-Krieg könnte russische Stellen dazu verleiten, im Westen Jagd auf Daten zu machen. Digitale Angriffe auch aus dem Ausland seien geeignet, „die Funktionsfähigkeit unseres Gemeinwesens und unserer Wirtschaft massiv und anhaltend zu beeinträchtigen oder gar zu unterbrechen“, heißt es in dem Papier. Zudem sollen Investitionen in sogenannte Cyber-Resilienzmaßnahmen bei kleinen und mittleren Unternehmen gefördert werden, wenn diese zur „kritischen Infrastruktur“ gehören. Dazu zählen Branchen wie Verkehr, Ernährung, Gesundheit, Energie und Wasserversorgung.

Unumstritten ist das Vorgehen allerdings keinesfalls. Denn vor allem das Thema Datensicherheit der Wirtschaft kollidiert mit dem Ressort von Minister Volker Wissing (FDP), der die Bereiche Digitales und Verkehr verantwortet. Zudem rührt der Plan an föderale Belange, da für Gefahrenabwehr bislang die Länder und ihre Polizeien zuständig sind. Ihnen die Verantwortung zu entziehen, dürfte für Proteste sorgen, die es schon bei der Debatte um einen bundeseinheitlichen Katastrophenschutz gab. 

Für ihre Reform braucht die Ampel eine Zweidrittelmehrheit 

Daher verwundert es nicht, daß Faeser sehr vorsichtig formuliert, ihr Haus werde die Effektivität aktueller Zuständigkeiten „prüfen“. Die Ministerin zeigte sich allerdings demonstrativ optimistisch: „Das Problembewußtsein in den Ländern ist sehr hoch, die Signale von dort sehr positiv.“ 

Für eine Grundgesetzänderung brauchte die Ampel-Regierung im Bundestag jedoch auch Stimmen aus den Reihen der Opposition, weil dazu eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Die Union hat schon einmal ihr Mißfallen ausgedrückt: „Frau Faeser agiert bei der Cybersicherheit viel zu langsam. Wenn die Bedrohungslage im Cyberraum – wie sie sagt – jeden Tag wächst, fragt sich doch, warum sie mehr als sieben Monate gebraucht hat, um gerade mal ihre Agenda zusammenzustellen“, kritisiert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in einer Mitteilung. Am Ende brauche es nicht nur Ankündigungen, sondern konkrete gesetzgeberische Maßnahmen, sowohl bei der aktiven Cyberabwehr als auch beim Kampf gegen Kinderpornographie. Es sei ja richtig, daß kleinere Bundesländer damit überfordert seien, „ob es dafür aber einer Änderung des Grundgesetzes bedarf, wird man sehen. Viel wichtiger ist es, zusammen mit den Bundesländern einen Konsens sowie möglichst einheitliche Sicherheitsstandards herzustellen.“ Nach grundsätzlicher Kritik klingt das nicht, vielmehr danach, als Opposition ein paar Haare in der Suppe zu finden. Kann Faeser also damit rechnen, daß die Christdemokraten am Ende zustimmen? Ihr Koalitionspartner FDP dürfte sich langfristig sowieso kaum verweigern. Keinen Wert legt die Ministerin auf die Stimmen der AfD im Bundestag. Die hüllte sich allerdings bis Redaktionsschluß in der Sache auch noch in Schweigen.