© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/22 / 22. Juli 2022

Ländersache: Sachsen-Anhalt
Sankt Florian hat keine Flügel
Paul Leonhard

Das frühe Erkennen von Waldbränden ist in Sachsen-Anhalt kein Problem. Das Land verfügt über ein modernes Warnsystem: An 15 Orten sind auf Türmen Panoramakameras postiert, die im Radius von 10 bis 15 Kilometern in die umliegende Region spähen. Rauchwolken fallen durch ihre Grauwerte auf, eine Software löst Alarm aus, und der Forstwirt muß klären, was los ist. Meist reicht dafür ein Blick durchs Fernglas und es kann Entwarnung gegeben werden, dann handelte es sich um Wolken am Horizont, Verwirbelungen, Schatten. Lodern aber doch Flammen, werden die Koordinaten per Fax an eine Leitstelle gemeldet.

Noch vor drei Jahren hatte die Waldbrandbekämpfung im Magdeburger Innenministerium Priorität. Man wollte eine Änderung des EU-Katastrophenschutzverfahrens nutzen, den Bund zu ermuntern, mit Brüsseler Geld Löschflugzeuge zu beschaffen. Doch zahlreiche Brände später, im Hochsommer 2022, gibt sich das CDU-geführte Haus erstaunlich kleinlaut. Löschflugzeuge? Dafür gebe es keinen Bedarf. Überdies seien für die Feuerwehren die Kommunen zuständig, und auf deren Wunsch habe man in bodengebundene Löschtechnik investiert. Offenbar hat man in Magdeburg verschlafen, daß es im April am Brocken fast zur Katastrophe gekommen wäre. Auf rund einem Hektar loderte ein Brand, und da das Gelände schwer und zudem nur zu Fuß zu erreichen ist, dauerte es Stunden bis Löschwasser endlich in die Flammen schoß – zu spät, hätte der Wind an diesem Tag stärker geweht.

Andere Staaten setzen da auf Hilfe aus der Luft. Polen etwa leistet sich eine Flotte von 37 kleinen Löschflugzeugen und fünf Helikoptern, um seine Wälder zu schützen. Denn wenn sofort nach Entdeckung 3.000 Liter Wasser über einem zwei mal zwei Meter großen Brandherd ausgekippt werden, „ist das effektiv“, sagt Alexander Held vom Europäischen Forstinstitut. Die andere Taktik, mit der Brandbekämpfungsflugzeuge Löschzüge am Boden unterstützen, ist, die Ausbreitung der Feuer zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen.

Allerdings können die zwei Airbus-H145-Hubschrauber der Landespolizei Sachsen-Anhalts (Kosten 23 Millionen Euro) gerade einmal je 500 Liter Wasser tragen – falls sie bei Alarm verfügbar sind. Überdies ist der Dienstweg einzuhalten: „Die Leitstellen müssen vor Einsatz eines Polizeihubschraubers prüfen, ob alle anderen Unterstützungsoptionen ausgeschöpft sind“, teilte das Innenministerium dem MDR mit. Dies entfalle nur, wenn akute Gefahr für Leib und Leben bestehe oder das Übergreifen des Feuers auf eine Ortschaft unmittelbar drohe. 

Noch komplizierter wird es, wenn die Sikorsky-CH-53-Transporthubschrauber der Bundeswehr angefordert werden. Die tragen zwar 5.000 Liter Wasser und können einen Brandherd mit einem Wurf ersticken, aber entsprechend größer ist auch der Verwaltungsvorlauf. Auch Helds Vorschlag, in waldbrandgefährdeten Bundesländern je eine einstellige Zahl kleiner Löschflugzeuge zu stationieren, lehnt Sachsen-Anhalt ab: Das Einsatzgeschehen rechtfertige bislang die Investition nicht. 

Da waren sogar die Kommunisten fortschrittlicher: In der DDR flogen kleine Agrarflugzeuge der staatlichen Interflug bei Bedarf die Löscheinsätze.