© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/22 / 22. Juli 2022

Wahrzeichen für Einheit und Freiheit
Historisch-kulturelles Erbe: Das Burschenschaftsdenkmal in Eisenach ist ein Ort der Identifikation
Michael Paulwitz

Kein Reisender, der sich Eisenach näherte, sei es auf der Straße oder mit der Eisenbahn, der nicht schon von weitem nach der Wartburg Ausschau hielte. Kaum weniger markant als die berühmte Welterbestätte grüßt vom gegenüberliegenden Höhenzug seit nunmehr über 120 Jahren Eisenachs zweites weithin sichtbares Wahrzeichen: das Burschenschaftsdenkmal auf der Göpelskuppe.

Mit seinen wuchtigen Säulen aus Muschelkalk, die eine helmartige steinerne Krone tragen, erhebt sich der 33 Meter hohe Turm im historisierenden Jugendstil über Thüringens Wälder. „Dem geeinten Vaterlande“ ist das um die vorletzte Jahrhundertwende errichtete Denkmal gewidmet – so kündet es seit der Einweihung im Mai 1902 eine Inschrift über dem schweren eisernen Tor, das nicht von ungefähr an die germanische Götterburg Walhall erinnern soll, deren sagenhafter Beschreibung es nachempfunden ist.

Feierliche Stille ergreift den Besucher, der das Denkmal durch dieses Portal betritt. Eine in Stein gravierte Inschrift präzisiert über der Innenseite des Eingangs die Widmung des Monuments: All jenen, die nach den Freiheitskriegen den Gedanken der nationalen Einheit faßten, an ihm festhielten und dafür stritten. Das gedämpfte Licht, das durch die von Blautönen dominierten hohen und schmalen Jugendstilfenster in das Innere fällt, unterstreicht den ursprünglichen Charakter des Bauwerks als Ruhmes- und Totenhalle.

Die kleine, aber feine Ausstellung ist ein Intensivkurs zum Einfluß der mit Eisenach und der Wartburg aufs engste verbundenen Burschenschaft auf die deutsche Einheits- und Freiheitsbewegung und auf die demokratische Verfassungsgeschichte der Deutschen. Inschriften an den neun Monumentalsäulen erinnern an die Gründer und geistigen Väter der Burschenschaft – die Wegbereiter Fichte, Arndt und Jahn, die Jenaer Professoren Oken, Fries und Luden als wichtigste Förderer sowie als maßgebliche Gründer die Studenten Riemann, Horn und Scheidler.

Fast wie in einer Kathedrale zieht der eigentümliche Raum den Blick nach oben zum Deckengemälde der Gewölbekuppel, das in leuchtenden Gold- und Blautönen den Ragnarök-Mythos der Götterdämmerung, des Endkampfs der Asen mit den Mächten der Finsternis, darstellt – ein bemerkenswertes Zeugnis der Jugendstilkunst, das für sich bereits einen Besuch des Denkmals rechtfertigt.

Daß das Burschenschaftsdenkmal auch heute, 120 Jahre nach seiner feierlichen Einweihung durch über zweitausend Festgäste mit mehr als hundert Burschenschafterfahnen, in frischer Pracht über Eisenach ruht und als attraktives Ausflugsziel unverändert Besucher aus nah und fern anlockt, ist keineswegs selbstverständlich. Die Wiedervereinigung Deutschlands bedeutete auch für dieses Baudenkmal buchstäblich Rettung in letzter Sekunde.

Dem DDR-Regime war das Burschenschaftsdenkmal, seit seiner Errichtung ein Wahrzeichen für die Einheit und Freiheit Deutschlands, wenig überraschend ein latentes Ärgernis, das gezielt der Vernachlässigung und dem Verfall überantwortet war. Die farbigen Glasfenster und die ursprüngliche Innenausstattung mit ihren monumentalen Statuen wurden mutwillig zerstört, die Fensteröffnungen schließlich zugemauert.

Die dadurch gestörte Belüftung verwandelte das Innere in eine regelrechte Tropfsteinhöhle; das ursprünglich von dem Dresdener Professor Otto Gussmann ausgeführte Deckengemälde fiel der hohen Luftfeuchtigkeit zum Opfer. Die überwucherten und verfallenden Außenanlagen drohten das gesamte Bauwerk mit sich zu reißen. Zeitweise faßten die kommunistischen Machthaber den Abriß oder gar die Sprengung des Denkmals ins Auge, mit dem sie sichtlich nichts anzufangen wußten.

Es waren engagierte Eisenacher Bürger, Handwerker, Forstleute und Facharbeiter, die seit Mitte der achtziger Jahre durch engagierten ehrenamtlichen Einsatz unter den Augen und mit stillschweigender Duldung der SED-Stadtverwaltung die dringendsten Sicherungsarbeiten durchführten und so das Denkmal für kommende Generationen retteten. 

„Den Freiwilligen der Feierabendbrigade unter der Führung von Bauingenieur Hans-Jürgen Lehmann und Polier Günter Vogt verdankt das Denkmal seine heutige Existenz“, erinnert der Vorsitzende des Denkmalerhaltungsvereins Eisenach (DEV), Axel Zimmermann. Nach der Rückgabe des Ensembles aus Denkmal und Berghotel an die Deutsche Burschenschaft, die in zähen und schwierigen Verhandlungen durchgesetzt werden konnte, oblag es dem Denkmalerhaltungsverein, Spendengelder zur Wiederherstellung des Denkmals einzuwerben und die aufwendigen Rekonstruktionsarbeiten zu kooordinieren.

Fünfzehn Jahre nach der Wiedervereinigung konnte im Jahr 2006 die Wiedererstehung des Denkmals mit der gelungenen Rekonstruktion des verlorenen Deckengemäldes durch den Gräfenhainer Maler Gert Weber abgeschlossen und das gerettete Kulturdenkmal im darauffolgenden Jahr neu eingeweiht werden. Die Sicherung und Renovierung der Außen- und Parkanlagen und insbesondere der in den 1930er Jahren als Ehrenmal für die gefallenen Burschenschafter des Weltkriegs hinzugekommenen „Langemarck-Gedenkstätte“ verlangt gleichwohl weiter erhebliche Kraftanstrengungen.

Dabei gilt es auch gegen ewiggestrige Kräfte der Finsternis anzukämpfen. Im Herbst 2019 verwüsteten offenkundig linksextreme Gewalttäter nicht nur die Gefallenen-Gedenkstätte, sondern auch das Denkmal selbst durch einen nächtlichen Anschlag mit Feuerlöschern und Teerfarbe. Der barbarische Angriff, der einen Schaden in sechsstelliger Höhe angerichtet hatte, schlug überregional Wellen und löste eine Woge der Unterstützung aus. 

Dank der großen Hilfsbereitschaft aus der Öffentlichkeit konnten die beträchtlichen Schäden bis zum 120jährigen Jubiläum der Denkmalseinweihung im Mai dieses Jahres zu einem großen Teil wieder behoben werden. „Das Deckengemälde wurde von Teerverschmutzungen gereinigt, die Hinweis- und Gedenktafeln erneuert und nach den Originalen angefertigt und die während der DDR-Zeit zerstörten Statuen in 3D-Technik wieder über ihren Konsolen angebracht“, hieß es dazu in einer Mitteilung der Stadtverwaltung Eisenach. Nicht nur für Burschenschafter aller Dachverbände ist das Denkmal ein Ort der Identifikation, es hat auch seinen festen Platz im Leben der Eisenacher Bürgerschaft. 

Denkmal und Berghotel sind beliebte Ausflugsziele; von den inzwischen wieder zugänglichen Balkonen auf der Kuppel des Burschenschaftsdenkmals haben Besucher den fraglos spektakulärsten Panoramaausblick auf die Wartburg und die Stadt Eisenach sowie den Thüringer Wald. Die „Jazzfrühschoppen“ des DEV am Denkmal sind eine feste Institution, und für die Eisenacher Abiturienten gehört das Gruppenfoto am Burschenschaftsdenkmal längst wieder zum Ritual.

Daran kann offenkundig auch Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf von der zur „Linken“ gewandelten SED mit ihrem sonst ablehnenden Verhältnis zur Burschenschaft nicht vorbei. Nachdem ihr das anfängliche Schweigen zum Farbanschlag vom Oktober 2019 viel Kritik eingetragen hatte, steuerte sie zum 120jährigen Denkmalsjubiläum ein wohlwollendes Grußwort bei, Seite an Seite mit Prinz Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach. Dessen Familie hatte einst das Gelände für den Bau des Denkmals zur Verfügung gestellt. Die Festrede hielt der ehemalige Landrat Martin Kaspari.

Auch ohne prominente Fürsprecher ist ein Besuch im Eisenacher Burschenschaftsdenkmal für jeden Thüringen-Reisenden ein Muß. Es spricht für sich selbst – als Denkmal für Einheit und Freiheit in Deutschland gehört es zum historischen und kulturellen Erbe aller Deutschen.

Info: Das Burschenschaftsdenkmal in Eisenach, An der Göpelskuppe 1, ist bis Ende Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, ab November von 11 bis 16 Uhr. Anmeldungen unter Telefon: 0152 / 09 23 73 94

 https://denkmalerhaltungsverein.de

Foto: Burschenschafts-denkmal im Süden Eisenachs auf der Göpelskuppe: Kriegerdenkmal für die im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gefallenen Studenten und zugleich Nationaldenkmal der Deutschen Burschenschaft zur Erinnerung an die deutsche Reichsgründung