© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/22 / 22. Juli 2022

Blick in die Medien
Aus der Reihe tanzen
Boris T. Kaiser

Er ist wieder da. Der Mann mit notorisch offenem Hemd. Julian Reichelt, geschaßter Bild-Chefredakteur und Lieblingsfeind der linken Meinungsmacher im Land, hat seinen eigenen Youtube-Kanal gestartet. Dort macht er im wesentlichen das, wofür er auch schon in seiner alten Tätigkeit von den einen geliebt und von den anderen leidenschaftlich gehaßt wurde. In seiner Sendung „Achtung, Reichelt!“ prangert der Journalist all die Dinge an, die er für die schwerwiegendsten Probleme unserer Zeit hält. Ganz oben auf seiner Liste: die Grünen und deren Einfluß auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands.

Mit der Bild stand er mit dieser Orientierung in der hiesigen Mainstream-Medienlandschaft ziemlich alleine da. Die Partei von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock gehört, so zeigen es Umfragen – oder einfach auch ein unbefangener Blick in den täglichen Pressespiegel – zu den Lieblingen eines Großteils der politischen Berichterstatter. 

Als Reichelt in Terminator-Manier ankündigte: „I will be back“, haben viele ihn noch belächelt.

Eine Wahlumfrage unter Volontären des öffentlich-restlichen Rundfunks ergab im vergangenen Jahr gar eine satte Mehrheit von 60 Prozent für die Grünen (25 Prozent für die Linke). Eine starke Gegenstimme kann der journalistischen Ausgewogenheit da also eigentlich nur guttun. Genau an einer solchen besteht im heutigen Aktivismus-Journalismus allerdings so gar kein Interesse mehr. Deshalb war man auch froh, den notorischen Aus-der-Reihe-Tänzer Reichelt endlich losgeworden zu sein.

Als der Mann, der über vier Jahre eine von Deutschlands reichweitenstärksten Zeitungen leitete, auf Twitter in Terminator-Manier ankündigte: „I will be back“, haben viele derer, die zu seinem Sturz beigetragen haben, ihn noch belächelt. Sein jetziges „I am back“ finden sie dagegen gar nicht mehr  so komisch. Trotzig verweisen Kommentatoren wie die FAZ-Autorin Elena Witzeck in ihren Meinungsbeiträgen immer wieder auf den Vorwurfs des vermeintlichen „Machtmißbrauch“, mit dem man Reichelt einst aus dem Axel-Springer-Haus geschrieben hat. Inhaltlich hat die grüne Medien-Front den Warnungen des 42jährigen vor Inflation und Blackout in Zeiten der Krise offenbar nicht mehr viel entgegenzusetzen.